Der Zofinger Komponist Dieter Ammann hat mit seinem Klavierkonzert ein ganz besonderes Werk geschaffen

Schon der Anfang setzt den Zuhörer in den Schleudersitz. Da stanzt der Pianist Andreas Haefliger den Ton A auf alle nur erdenklichen Arten aus dem Ins­trument, poliert ihn zu gleissendem Goldglanz, spitzt ihn perkussiv zum Geräusch und treibt ihn hastig an zu knackigem Drive. Wenn sich das Orchester schlingernd und mit zauberhaften Klangschleiern einmischt, heben Pianist und Orchester soghaft ab.

Nicht nur das Werk, auch der Komponist Dieter Ammann hebt ab mit seinem Klavierkonzert. Schon bei der Uraufführung im Sommer an den Proms in London schrieb unsere Zeitung von «Kultpotenzial». Und das unterstreicht die kristallin-klar aufgenommene CD mit dem vorzüglichen Helsinki Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Susanna Mälkki.

«Ehrfurcht» vor einem «Meisterwerk»

Denn Fachzeitschriften von «Klassik heute» bis zum englischen «Grammophone» feierten Ammanns Konzert umgehend als «Meisterwerk» oder «bestes Solokonzert seit Jahren», das einen «vor Ehrfurcht erstarren» lasse. Mälkki selber hat im Film «Gran Toccata» über die Entstehung des Werks geschwärmt, bei dieser Musik «könne man sich in die Kurven legen wie in einem Rennwagen».

Der Zofinger Komponist, der an der Musikhochschule in Luzern Komposition unterrichtet, bestätigte im Herbst, dass ihm sein Klavierkonzert «den Schritt in eine neue Dimension ermöglicht» habe – mit einem Folgeauftrag von einem «der bedeutendsten Orchester der Welt».

Sucht man nach Gründen für diesen Erfolg, fallen einem beim ersten Anhören der CD die Elemente auf, die Ammanns Ruf als bedeutendsten Schweizer Komponisten seiner Generation begründet haben. Da ist der virtuose Umgang mit Grooves, die bei aller Komplexität der Musik einen körperhaften Drive geben. Da sind aber auch die Instrumentation und eine Harmonik, die die koloristischen Möglichkeiten eines Orchesters so präzis wie verschwenderisch nutzen.

«Tschaikowsky mit Amphetaminen»

Hinter dem Erfolg liegen aber auch tiefere Gründe. Der Titel «The Piano Concerto (Gran Toccata)» stellt das Werk in die grosse Tradition des Klavierkonzerts, einschliesslich seiner improvisatorischen Virtuosität. Und phänomenal ist in der Tat, wie Ammann diese Tradition weiterführt, ohne dass das jemals als Rückgriff wirkt.

«Tschaikowsky mit Amphe­taminen» («Guardian») ist dazu ein gutes Stichwort. So tobt sich zwar das Klavier akkordisch aufgefächert über die ganze Tastatur aus und gibt dem souveränen Solisten auch in Solokadenzen Gelegenheit, pianistische Akrobatik mit der ihm eigenen Expressivität zu verbinden. Aber die Verzahnung des Klaviers mit dem aufgesplitterten, zugespitzten oder lauernden Orchester verhindert jede neoromantische Attitude. Zudem balanciert Ammann hektische und Ruhemomente in einer Weise aus, die keinen Mustern folgt. Umso ereignishafter sind die Momente der Magie, die sich von dem mit Hochspannung vorangetriebenen Geschehen abheben.

Gefühlsausdruck jenseits aller Romantikklischees und eine Motorik, die nie klassizistisch klappert: Genau so eigenständig schillern die Rhythmen, die Kritiker gern mit Ammanns Herkunft aus dem Jazz in Verbindung bringen. Wo sich im ersten Satz aus dem rhythmischen Treiben eine prägnante Kurzformel herauskristallisiert, die ganz am Schluss wiederkehrt und das ermattende Ende einleitet, liegt der Bezug zur frühen Moderne näher. Dazu passen auf der CD das dritte Klavierkonzert von Bartók und Ravels Klavierkonzert für die linke Hand. In diesem steigert Haefliger den Klavierpart aus der Tiefe heraus zu orchestraler Fülle und einer Expressivität, die überraschend deutlich auch Ammanns Konzert auszeichnen.

Ammann, Ravel, Bartók: Piano Concertos (BIS).