Deutscher Innenminister will Testpflicht an Grenze ‒ der Aargauer Landammann befürchtet massive Stauproblematik

Mit den Entwicklungen um Corona und den rund 60000 Grenzpendlern aus Baden-Württemberg ist es ein ständiges Hin und Her. Dank der Allgemeinverfügung der angrenzenden Landkreise wie etwa Waldshut-Tiengen und Lörrach gilt derzeit: Falls Deutschland die Schweiz zu einem «Hochinzidenzgebiet» erklärt, müssen Berufspendler nur zweimal je Kalenderwoche bei Grenzübertritt nach Deutschland einen negativen Coronatest nachweisen.

Fakt ist aber: Bisher gilt die Schweiz aus deutscher Sicht nicht als «Hochinzidenzgebiet», sondern lediglich als «Risikogebiet». Dadurch entfällt gemäss Coronaverordnung bei der Rückkehr von Berufspendlern aus der Schweiz nach Deutschland die Test- und Nachweispflicht.

Eindämmen, um noch härtere Massnahmen zu verhindern

Doch geht es nach Thomas Strobl, Innenminister von Baden-Württemberg, soll sich dies ändern. In einem Brief, der dem «Südkurier» vorliegt, macht er Druck auf den Gesundheitsminister Manfred Lucha. Strobl hält umfassende Coronatests für Pendler an den Grenzen zur Schweiz und zu Frankreich für notwendig – und zwar ab sofort.

«Wir müssen jetzt handeln und wir können jetzt handeln», mahnt Strobl. Es gelte zu vermeiden, dass das Virus und die Mutationen sich weiter über die Ländergrenzen verbreiten. Nur mit Tests könne man das Virus «eindämmen und noch härtere Massnahmen verhindern», wird er in dem Brief zitiert. Bei der Umsetzung denkt Strobl etwa an mobile Testteams in Grenznähe.

Für Landammann Stephan Attiger, der die Hochrhein-Kommission präsidiert, macht eine Testpflicht für den grenzüberschreitenden Personenverkehr nur Sinn, wenn sich die Fallzahlen in den Regionen dies- und jenseits der Grenze stark unterscheiden. Aber: «Das ist und war im Verlauf der Pandemie bisher nie der Fall», sagt er.

Attiger befürchtet bei einer Testpflicht und der Kontrolle und Durchsetzung an der Grenze massive Auswirkungen auf den Grenzverkehr. Staus und lange Wartezeiten wären die Folgen. Attiger sagt:

«Das gilt es zu verhindern. Viele Menschen, welche die Grenze überqueren, sind Grenzgänger, die in systemrelevanten Berufen wie etwa dem Gesundheitswesen arbeiten.»

Es sei daher wichtig, «dass wir den Grenzverkehr nicht unnötig einschränken», sondern der eingeschlagene Weg mit einem generellen Ausbau der Testungen unabhängig von der Grenze fortgeführt wird.

Erhebliche Beeinträchtigungen des Betriebsablaufs befürchtet

Beim Gesundheitszentrum Fricktal (GZF) etwa machen die Grenzgänger aus Deutschland 30 Prozent der Mitarbeitenden aus. «Sie sind insbesondere im medizinischen Bereich tätig und haben für das GZF eine sehr grosse Bedeutung», sagt Sprecherin Sibylle Augsburger Hess.

Auch für Roche arbeiten derzeit Grenzgänger an den Standorten Basel und Kaiseraugst in der Produktion und im Forschungsbetrieb. Diese Mitarbeitenden seien kritisch, um den Betrieb aufrechtzuerhalten und damit die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit lebensnotwendigen Medikamenten und Diagnostika weiterhin zu gewährleisten, sagt Sprecherin Nina Mählitz. Sie schiebt nach:

«Eine Testpflicht an den Grenzen könnte somit zu erheblichen Beeinträchtigungen im Betriebsablauf führen.»

Claudius Marx, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Hochrhein-Bodensee, sieht in der Testpflicht an der Grenze eine Möglichkeit, allen den Grenzübertritt «da zu ermöglichen, wo aktuell noch Quarantäneregelungen zu einer faktischen Schliessung der Grenze führen». Konkret bezieht er sich darauf, dass Handel und Dienstleistungen in Deutschland langsam wieder öffnen dürfen, der Aufenthalt von in der Schweiz wohnhaften Personen jedoch noch immer «nicht überwiegend zu Zwecken des Einkaufs» geschehen dürfe. Marx sagt:

«Schnelltests als ‹Eintrittskarte› könnten diese Situation beenden, ohne das Infektionsrisiko zu erhöhen.»