
Deutsches Gericht entscheidet: Brennelemente dürfen an AKW Leibstadt geliefert werden
Eine Regionalgruppe des deutschen Umweltverbands BUND hatte im Oktober 2020 gemeinsam mit einigen Privatpersonen Widerspruch gegen die Lieferung von 140 unbestrahlten Urandioxid-Brennelementen an das Kernkraftwerk Leibstadt eingereicht. Die Anti-Atom-Aktivisten fürchteten die Sicherheit des Schweizer Reaktors und die Gefahr, die für deutsche Bürger im Störfall von diesem ausgeht.
Nun hat das zuständige Verwaltungsgericht in Frankfurt einen Eilantrag der Lieferantin, der französischen Firma Framatome, bewilligt. Diese wollte trotz des Widerspruchverfahrens eine Lieferung der Brennelemente erzwingen.
Schliesslich, so die Auffassung von Framatome und dem KKL, hatte das deutsche Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle die Lieferung im September 2020 genehmigt. Laut BUND habe das Widerspruchverfahren allerdings aufschiebende Wirkung – die Lieferung wäre also erst nach einem Gerichtsentscheid möglich. Das Frankfurter Gericht begründet seine Entscheidung damit, dass gemäss deutschem Recht weder ein Verband noch Privatpersonen das Recht hätten, atomrechtliche Exporte anzufechten.
Deutschland hat Aarhus-Konvention nicht vollständig in nationales Recht umgesetzt
Der BUND äussert sich in einer Pressemitteilung vom Montag enttäuscht, dass das Verwaltungsgericht den Verband nicht als klageberechtigt erachtet. Allerdings fassen die Aktivisten das Gerichtsurteil als «Fingerzeig an die Politik» auf: Nämlich hätte die völkerrechtliche Aarhus-Konvention, welche 2001 auch von Deutschland ratifiziert wurde, eine Öffentlichkeitsbeteiligung bei Entscheidungen in Umweltangelegenheiten ermöglicht.
Da Deutschland die Aarhus-Konvention allerdings noch nicht vollständig in nationales Recht umgesetzt hat, kann sich der BUND nicht darauf berufen. Dies müsse die kommende deutsche Bundesregierung alsbald möglich vornehmen, fordert der Umweltverband. Man wolle sich in den kommenden Tagen beraten und erwäge weitere Schritte.
Strafverfahren gegen ungenehmigte Lieferungen im Dezember
Der Streit um die Lieferungen von Brennelementen nach Leibstadt war im Januar eskaliert: Damals wurde bekannt, dass Framatome trotz des laufenden Verfahrens im Dezember 2020 72 Brennelemente ans KKL lieferte. Laut KKL-Mediensprecher sah man diese Lieferung als bewilligt an. Framatome äusserte sich ähnlich.
In Deutschland fasste man das Vorgehen anders auf: Die Berliner Tageszeitung «taz» berichtete über die Empörung in der Hauptstadt nach den nicht genehmigten Transporten – schliesslich war zu diesem Zeitpunkt noch nicht gerichtlich beschlossen, dass die Lieferungen rechtskräftig sind.
Dieses Vorgehen hatte dafür gesorgt, dass in Deutschland mehrere Strafanzeigen gegen Framatome eingingen. Die Entscheidungen in diesen Verfahren stehen noch aus. Framatome kündigte derweil am Montag gemäss «taz» an, die Lieferungen der Brennelemente nach Leibstadt wieder aufzunehmen.