Die Ausbreitung des Homo sapiens helveticus

Die Chinesen sagen: Je mehr Touristen einer Nation sich an einem Ort ferienhalber aufhalten, desto besser geht es dem Land, aus dem sie stammen. Zumindest aus Schweizer Sicht trifft dies voll und ganz zu. Denn gerade über die Osterstage wird man in den europäischen Städten von Rom bis Stockholm an allen Strassenecken Schweizerdeutsch hören. Und dies, obwohl wir ein sehr kleines Völkchen sind.

Da stelle ich mich irgendwo in Hamburg vor einer Kirche mit Aussichtsplattform an und von vorne erklingt es aus der Reihe: «I ha der doch gseit, dass i ke Gäud meh bimer ha. Itze müessemer haut luege, ob mer hie o mit dr Kreditcharte chöi zahle.» Und von hinten: «Ruedi, wemmo nid no üsi Faserpelz zum Rocksack uusneh, deet obe goht denn e chaibe Loft!» In diesen Momenten frage ich mich manchmal, weshalb ich Hunderte von Kilometern gereist bin, wenn es dann in der Fremde doch wieder gleich klingt wie in Weinfelden an der Migros-Kasse. Nirgendwohin kann man mehr reisen, wenn man einfach mal genug hat von diesem Schweizer Bünzlitum! Den absoluten Schockmoment erlebte ich einst in Malmö auf einer Sitzbank. Plötzlich fuhr auf dem Platz ein Reisecar mit Zürcher Nummer vor, welcher etwa fünf Dutzend Schweizer ausspuckte. Ich musste die Flucht ergreifen! Egal wo man ist, man trifft einfach überall auf Exemplare des Homo sapiens helveticus. Und ich vergesse dabei jeweils auch gerne, dass ich selbst einer von ihnen bin, welcher sich auf dem Kontinent Europa ausbreitet.

Waltsworte ist die regelmässige Kolumne von Tobias Walt, Redaktionsleiter bei Radio Inside.