Die E-Vignette fürs Auto steht vor dem Durchbruch: Endlich fertig geklebt – oder doch nicht?

Endlich fertig mit der Kleberei, endlich kein mühsames Abkratzen mehr auf der Autoscheibe: Es gibt ganz praktische Argumente, mit denen der Bundesrat die E-Vignette für die Autobahn anpreist. Statt einer Vignette zum Aufkleben sollen Fahrzeughalter künftig auch eine elektronische Version kaufen können. Diese Woche dürfte nach dem Nationalrat auch der Ständerat grünes Licht geben für die Einführung. Namhaften Widerstand gibt es einzig aus den Reihen der SVP.

Der Bundesrat seinerseits plant, die E-Vignette bereits 2022 einzuführen. Der zuständige Finanzminister Ueli Maurer (SVP) preist sie als bürgerfreundlich. Schliesslich sei die E-Vignette direkt per Registrierung an das Kontrollschild gebunden, sie könne jederzeit online gelöst werden und verursache erst noch keinen Mehraufwand bei einem Fahrzeugwechsel oder bei Wechselnummernschildern.

Verkauft wird die E-Vignette über eine App namens Via. Autofahrer zahlen dafür unverändert 40 Franken. Der Bund will dank der elektronischen Version seine Betriebskosten massiv senken; vier Franken pro Vignette gehen heute für den Vertrieb drauf. Die Erträge werden für Bau, Betrieb und Unterhalt der Nationalstrassen eingesetzt.

E-Vignette als Türöffner für Mobility Pricing?

Komplett verschwinden soll die Klebevignette freilich nicht. Der ursprüngliche Plan des Bundesrats wurde in der Vernehmlassung zerzaust. Deshalb schlägt er nach einem Vorstoss von CVP-Nationalrat Martin Candinas nun eine «Sowohl als auch»-Variante vor. Die Bürger sollen zwischen der herkömmlichen und einer digitalen Version wählen. Automatisierte Kontrollen auf den Nationalstrassen sind nicht vorgesehen. Die vorberatende Verkehrskommission des Nationalrats sprach sich knapp dafür aus, Kontrollen ausschliesslich stichprobenartig und mittels mobiler Geräte zu erlauben.

Laut dem Bundesrat ist die E-Vignette auch keine Vorstufe für Mobility Pricing; dem Preismodell, wonach mehr bezahlen muss, wer zu Stosszeiten auf besonders stark befahrenen Strecken unterwegs ist. Gleichwohl äussert die SVP genau solche Befürchtungen.

Mit der E-Vignette hinterlasse man «eine digitale Datenspur, aus der komplette Bewegungsmuster des entsprechenden Fahrzeuges» abgelesen werden könnten, hält die Partei in ihrem Positionspapier fest.

Erst wenn der Anteil der Klebevignette dereinst zehn Prozent oder weniger betragen sollte, würde diese abgeschafft. Obwohl jedes Jahr eine neue Vignette hinter die Windschutzscheibe geklebt werden muss und das Wegkratzen sich oft mühsam gestaltet, haben viele Schweizerinnen und Schweizer den Kleber lieb gewonnen. Er gilt als simpel und gutschweizerisch, sein Design als zeitlos.

Zehn Millionen Kleber pro Jahr als Richtschnur

Wie viele Klebevignetten werden dereinst also noch benötigt? Nicht mal der Bund kann das heute sagen. So ganz scheint er der Sache ohnehin noch nicht zu trauen. Das zeigt eine öffentliche Ausschreibung, mit der die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) derzeit eine Druckerei sucht, die in den kommenden acht Jahren die Klebevignetten produzieren wird. Die Bezugsmenge orientiere sich stark an der heutigen Auflage, bestätigt ein EZV-Sprecher. Heisst: Pro Jahr sollen 10,7 Millionen Vignetten produziert werden.

Allerdings beinhalte die Ausschreibung alle Szenarien von «weiter ohne E-Vignette» bis hin zu «Einführung der E-Vignette und rasches Umschwenken der Nutzer auf diese». Wegen der künftig ungewissen Bezugsmenge sei das Verfahren komplex. Ohne eine genaue Prognose zu wagen, betont der Sprecher aber: «Wir gehen davon aus, dass sich die Einführung der E-Vignette stark auf den Bedarf der Klebevignette auswirken würde.»

Die Herstellung der Vignetten gilt als Prestigeauftrag. Die Schweiz führte 1985 als erstes Land in Europa eine solche ein. Zuerst war die damalige Spezialdruckerei Trüb in Aarau mit der Produktion betraut, später Orell Füssli in Zürich. 2005 konnte sich erstmals die Etitex AG im bernischen Köniz den Auftrag sichern. Ende dieses Jahres läuft der jüngste Vertrag mit der Firma aus. Laut Branchenkennern gilt es als wahrscheinlich, dass sich das Unternehmen wieder um den Auftrag bemühen wird.