
Die Freiheiten des Pensionsalters: Einfach mal ausprobieren
SOMMERSERIE
In unserer Sommerserie «Pensionierte» stellen wir Luzernerinnen und Luzerner vor, die sich in der dritten Lebensphase befinden
«Weisst du noch, als wir früher an einem Wettbewerb mitgemacht haben und eine wunderbare Reise durch Indien gewonnen haben?» – «Weisst du noch als, …», eine Frage, die sich Ruth Broch und ihr Mann Franz des Öfteren stellen. So viel haben sie schon erleben dürfen und so lange scheint vieles doch schon zurückzuliegen. Das ist etwas, was Ruth Broch besonders gerne macht, in Erinnerungen schwelgen, vor allem wenn man sich zusammen mit jemandem zurückerinnern kann. Zurückerinnern, an den Ursprung ihrer heutigen Passion, des Reisens. Alles begann mit diesem einen Wettbewerb, den sie gewonnen hatten. Ruth Broch war damals noch in der Autobranche tätig, füllte dadurch hie und da mal einen Wettbewerbstalon aus. Dass sie mal so grosses Glück haben wird, hätte sie sich nie gedacht. Und vor allem nicht, was sich noch alles daraus entwickeln würde …
Die Indienreise zählt bis heute zu einer der Destinationen und Erlebnisse, die sie am meisten geprägt und fasziniert haben. Vor Reiseantritt war sie etwas unsicher und hatte grossen Respekt vor diesem so gegensätzlichen Land, erinnert sich die zweifache Grossmutter. Heute weiss sie: Man sollte einfach mal ausprobieren, nicht dass man später etwas hinterherspringen und sich denken muss: «Ach, hätte ichs doch gemacht!» Obwohl sie darüber staunt, zu was sie früher alles ja gesagt hat, würde sie es genauso wieder machen, da sie nie enttäuscht worden sei. «Du chaschs jo ned säge, wies esch, wennds ned machsch», sagt die Pensionärin und schmunzelt.
Vor ihrer grossen Reise durch Indien habe sich die ursprüngliche Ruswilerin aber gut über das Land und seine Kultur informiert. Das Einlesen vor Reiseantritt findet Ruth Broch im Allgemeinen etwas sehr Wichtiges. «Dadurch geht man eine Reise völlig anders an», sagt sie. Dadurch könne man die Menschen in diesem Land und ihren Glauben viel besser verstehen. Ausserdem trete man ihnen mit viel mehr Ehrfurcht und Respekt gegenüber, was beim Reisen ein sehr wichtiger Aspekt sei. Heute geht die gelernte Konfektionsverkäuferin generell viel bewusster auf Reisen. Das mag dadurch kommen, dass man, je älter man sei, tiefgründiger wird oder allgemein im Alter vorsichtiger wird, erklärt sie mir. «Man hat halt eine gewisse Reife, man kann besser abschätzen, was man kann/darf, ohne ein Risiko einzugehen.» Das Einlesen hat ihr damals auch geholfen, den für uns so ungewohnten Glauben Indiens besser zu verstehen und die enormen Gegensätze des Landes auf sich wirken zu lassen. Um so etwas aber überhaupt auf sich wirken lassen zu können, müsse man sich auch wirklich die Zeit nehmen, um Verständnis für einen solch anderen Blickwinkel aufzubringen. Nur so kann man eine andere Kultur auch wirklich kennenlernen.
Neugierig sein
«Egal, wohin ich gehe, es sind immer die Leute und das Land», begründet Ruth Broch ihre Faszination am Reisen. Dabei sei es aber umso wichtiger, den Menschen mit Respekt und Anstand zu begegnen, egal, wo man sich bewegt. «So, wie du ihnen begegnest, kommt es zurück», legt Ruth Broch ans Herz. Durch das würde man die Reise vielleicht auf eine ganz andere Art und Weise erleben. Fakt ist aber, dass, wenn man offen und neugierig ist, man viel mehr auch zurückbekommt. So wie die gewonnene Reise durch Indien wie ein Geschenk war, ist das Reisen im Allgemeinen für Ruth Broch ein Geschenk. Sie ist so dankbar darüber, dass sie diese Möglichkeit hat und nutzen kann. «Es ist ein grosses Glück, so etwas erleben zu dürfen», erzählt sie mit strahlenden Augen. Es wird einem auch wahnsinnig bewusst, wie gut es uns hier geht, wie schön wir es haben. Auf jeden Fall möchte sie, solange die Gesundheit und die sonstigen Umstände es mitmachen, weiterhin reisen. Man sollte, wenn es ums Reisen geht, nichts hinausschieben. «Es esch falsch, wennds duesch useschiebe», versichert sie mir. Nur wenn man nichts hinausschiebt, sei man nicht enttäuscht, wenn man morgen nicht mehr gehen könnte. Es gäbe immer einen Weg, der sich öffnet. «Wenn das eine nicht mehr geht, muss man das andere tun», sagt sie. Dieses flexible Denken hat Ruth Broch, die heute in Altishofen wohnt, von ihrem Geschäft mitnehmen können. In unserem Gespräch kommt zum Ausdruck, dass Frau Broch stets etwas Positives an einer Situation herauszunehmen versucht und nichts als selbstverständlich betrachtet. Sie sagt auch, dass man nichts nachtrauern, sondern stets nach vorne schauen sollte.
Was Ruth Broch bereits auf ihrer ersten Reise, dem dreiwöchigen Indienaufenthalt, lernen konnte, war, dass es da draussen in dieser Welt so vieles zu sehen gibt und es das Wichtigste ist, dafür auch Verständnis aufzubringen. «Man sieht nicht nur sein eigenes Gärtlein.» Dies sei das Schöne am Reisen, und das habe sie zum ersten Mal realisiert, als sie in Indien war. Anschliessend erzählt sie, dass man den anderen Menschen gegenüber viel toleranter werde. Irgendwie beginne man, alles nicht mehr so eng zu sehen. So vieles würde relativiert werden, wenn man in anderen Ländern sieht, wie einfach die Menschen dort leben, aber wie glücklich sie trotzdem sind. Dies zeige uns, dass man doch eigentlich gar nicht immer so vieles braucht, um zufrieden zu sein. Das Neue zu sehen und kennenzulernen, das sei ein grosser Reiz für sie. Dies ist auch der Grund, wieso Ruth Broch noch nie zwei Mal an denselben Ort gereist ist. Jeder Ort hätte es verdient – und würde sich lohnen, nochmals besucht zu werden, aber es gäbe einfach noch so viele andere Destinationen, die sie gerne bereisen würde.
Freiwillige der Spitex
Wenn Ruth Broch nicht gerade auf einer aufregenden Indienreise oder auf einem jährlichen Städtetrip ist, lebt sie keinesfalls einfach nur in den Tag hinein, sondern hat einen eher strukturierten Alltag. Allgemein macht sie sehr gerne hie und da mal einen Ausflug, mit oder ohne Grosskinder. Gerne ist sie auch mal mit dem Zug oder dem E-Bike unterwegs oder macht mal einen Wanderausflug. Ruth Broch erzählt, dass sie nebst ihren vielen Hobbys noch bei der Spitex Freiwilligenarbeit leistet und auch eine Fremdsprache lernt. «Bem Änglisch eschs ebe no chli holprig», erklärt sie.