Die KSA-Führung wusste von den Vorwürfen gegen Chefarzt Fandino

Das Gesundheitsdepartement hat ein Aufsichtsverfahren gegen das Kantonsspital Aarau (KSA) und den ehemaligen Chefarzt der Neurochirurgie Javier Fandino eröffnet. Anlass für das Verfahren sind die schweren Vorwürfe von zwei ehemaligen KSA-Ärzten gegen Fandino. Am 31. August informierten sie das Gesundheitsdepartement schriftlich darüber.

Schon früher wandten sie sich an die KSA-Verantwortlichen. Die Ärzte schreiben einleitend, sie hätten die Vorgänge am Kantonsspital dem Verwaltungsratspräsidenten Peter Suter «bereits dreimal mit entsprechenden Dokumenten unterbreitet». Passiert ist offenbar nichts. Deshalb entschieden die beiden «als letzte Eskalations­instanz» Gesundheitsdirektor Jean-­Pierre Gallati zu informieren.

Das KSA beantwortet mit Verweis auf das laufende Aufsichtsverfahren keine Fragen. Was mit den Vorwürfen passiert ist, bleibt deshalb unklar.

Gallati schliesst personelle Konsequenzen nicht aus

Nachdem das Schreiben bei Gallati eingetroffen war, hat er innert Wochenfrist entschieden, die erhobenen Vorwürfe zu prüfen. In einem Interview mit der «NZZ» verspricht er eine «schonungslose Aufarbeitung». Gallati schreckt demnach auch nicht davor zurück, personelle Änderungen am KSA ins Auge zu fassen, «sollten die Untersuchungen Unzulänglichkeiten in der Führung zutage fördern». Er hält fest, die Vorwürfe beträfen primär die operative Ebene und lägen in der Verantwortung von Verwaltungsrat und Spitalleitung. Das KSA ist eine selbstständige Aktiengesellschaft. Die Politik könne deshalb nur beschränkt Einfluss nehmen, hält Gallati fest.

KSA könnten Klagen in der Höhe von Dutzenden Millionen drohen

Parallel zum Aufsichtsverfahren ist im Fall KSA und Javier Fandino auch die grossrätliche Geschäftsprüfungskommission (GPK) aktiv. Laut der «NZZ» war der Risikomanager des KSA, Georg Sasse, an einer Kommissionssitzung. Im Zentrum der Ausführungen in der Kommission standen Behandlungen mit der Substanz 5-ALA, die Tumore zum Leuchten bringt.

Fandino wird vorgeworfen, dass er die Substanz auch bei Patienten mit gutartigen Hirntumoren angewandt hat. Dies, obwohl mehrere Neurochirurgen zum Schluss kommen, dass der Einsatz von 5-ALA nur bei bösartigen Tumoren sinnvoll ist. Laut «NZZ» hat Fandino die Substanz seit 2007 bei rund 1800 Patienten verwendet. Dem KSA drohten Klagen in der Höhe von Dutzenden Millionen Franken, sollte auch nur ein Teil der behandelten Patientinnen prozessieren. GPK-Präsident Marco Hardmeier (SP) sagt auf Anfrage der AZ nichts zur Recherche der «NZZ».

Die beiden ehemaligen KSA-Ärzte erheben in ihrem Schreiben nicht nur Vorwürfe gegen Fandino, sie weisen auch auf in ihren Augen «missbräuchliche und willkürliche Aktionen» von Mitgliedern der Geschäftsleitung hin. Sie schreiben, CEO Robert Rhiner und der medizinische Leiter Christoph Egger würden «eine Angststimmung» aufbauen. Sie hätten zum Beispiel einen bewährten Mitarbeiter «genötigt» eine Kündigung zu verfassen.

Im Raum stehen auch Strategiefehler des CEO oder der Geschäftsleitung. Sie sollen das «weit fortgeschrittene Projekt» einer Augenklinik in Baden gestoppt haben und eine «höchst innovative Initiative eines Strokemobils» verunmöglicht haben.