
Die Machtdemonstration im Hallenstadion – mit Unterstützung von Dj Bobo und Gölä
Irgendwo im Foyer des Hallenstadions muss es Fondue geben. Wie eine Smogglocke nebelt der Käsegeruch den Raum ein und vermischt sich mit dem Duft von zu viel Parfüm. Trauffer ist in der Stadt, und das Publikum ist ihm scharenweise gefolgt. Viele Frauen haben sich in ein Dirndl gezwängt, und auch einige männliche Waden sieht man unter Lederhosen. Der Auftritt im ausverkauften Hallenstadion ist der vorläufige Schlusspunkt einer beispiellosen Erfolgsgeschichte: Marc Trauffer kann derzeit anfassen, was er will, es klappt. Seine Biografie steht in den Charts, seine Konzerte sind voll, und an diesem Abend wird ihm Doppelplatin für sein aktuelles Album überreicht – das sind 40000 verkaufte Einheiten. Hat da irgendwer von Krise im Musikgeschäft gesprochen?
Dabei, das wird im Hallenstadion schnell klar, ist Trauffer nicht in erster Linie Musiker, sondern Unterhalter. Auf der Bühne hat er aus Holz ein Matterhorn nachbauen lassen, es schiesst Feuer aus der Bühne, und immer wieder werden Einspieler eingeblendet. Die Musik selber säuft da zwischendurch ab. Im Vergleich mit internationalen Bands, die sonst an dieser Stätte spielen, kommt schlicht zu wenig Druck von der Bühne, die Lieder sind sich ähnlich, und Trauffer ist nicht unbedingt der talentierteste Sänger. Nur: Es würde deutlich zu kurz greifen, das Konzert nur nach diesen Gesichtspunkten zu bewerten. Vor allem: Es sind weit über 10000 Personen nach Zürich gekommen. Ein Schweizer Act, der das Hallenstadion restlos füllt. Das haben vor ihm erst DJ Bobo, Gölä und Krokus geschafft – zwei davon werden an diesem Abend mit Trauffer auf der Bühne stehen, doch dazu später mehr.
Man ist hier für eine Party
«Es gibt bei Trauffer nur ein Gas: Vollgas!», ruft Trauffer ins Publikum. Das echot freudig zurück. Man ist hier für eine gute Zeit, für eine Party. Es könnte ebenso gut ein Oktoberfest sein, man prostet, man schunkelt, man lacht. Immer wieder klopft der Sitznachbar seinem Sohn auf die Schulter und sagt «unglaublich», der Sohn nickt. Es sind gut durchgetaktete 165 Minuten. Immer passiert etwas, es wird nie langweilig, kein Hit wird ausgelassen. Der Berner Oberländer animiert die Leute zum Mitmachen, lässt Frauen und Männer getrennt singen, holt ein Kind auf die Bühne.
Ein Jahr Pause hat Trauffer nach diesem Auftritt angekündigt. Er lasse es offen, was nachher passiert. Er hat auch noch eine Holzspielwarenfabrik – auch die läuft sehr gut. Trauffer ist der geborene Geschäftsmann, ein talentierter Verkäufer. Das ist er in der Fabrik ebenso wie auf der Bühne. Dazu passt das Konzert im Hallenstadion: Es ist ein Prestigeprojekt, vielleicht auch eine kleine Machtdemonstration. «Seht her: Ich hab’s geschafft», schreit fast alles an diesem Abend. So sehr Trauffer den bodenständigen Typen von nebenan gibt, so unverhohlen ist er stolz auf das Erreichte.
Trauffer beschwört das «Wir»
Das feiert er in Zürich. Just in der einzigen Grossstadt der Schweiz. Das Publikum von Trauffer ist aber sicher kein urbanes. Seine Hörerzahlen auf Streamingdiensten sind gemessen an seinem Erfolg bescheiden, dafür verkauft er – im Gegensatz zu vielen hippen Künstlern – noch CDs. «S’Dorf esch uf de Bei», singt Trauffer. Immer wieder beschwört er das dörfliche «Wir». «Wir» haben das Hallenstadion gefüllt, «Wir» haben es allen gezeigt, «Wir» haben heute eine Party. Er unterfüttert nicht nur seine Musik mit volkstümlichen Elementen, sondern er feiert stets das Einfache, das Nahbare, das Bodenständige.
Und dann kommt tatsächlich noch der bodenständigste Rocker auf die Bühne: Gölä, der Büezer der Nation. Wo Trauffer auf die ländliche Karte setzt, strapaziert Gölä das Arbeiter-Klischee, in Unterhemd und abgewetzter Arbeiterhose. «Wir sind die einzigen Mundartarschlöcher, die das Hallenstadion gefüllt haben», grinst er. Am nächsten Wochenende füllt Gölä das Hallenstadion wohl gleich drei Mal (Tickets nur noch am Sonntagnachmittag). Eine reife Leistung. Mit Trauffer singt er «Heiterefahne» und «I hätt no viu blöder tah». Wobei sie mehr nebeneinander als miteinander singen. Weder Gölä noch Trauffer sind Meister der Feinheiten, im Trauffer-Trachtenumfeld wirkt Gölä mit seinem rumpligen Gitarrenspiel aber doch etwas fremd.
Deutlich logischer wirkt der Gastauftritt von DJ Bobo. Wie Trauffer sieht er seine Rolle nicht als Musiker, sondern als Unterhalter. Und das macht er immer noch mit einer ansteckenden Freude. Wenn er zu «Somebody Dance» zusammen mit Trauffer über die Bühne hüpft, kann man kaum anders als lächeln. Ob Bobo heute das Hallenstadion immer noch füllen würde, ist fraglich, aber er war zweifelsfrei einer der Wegbereiter für Trauffer. Statt Bobos Eurodance hört das Volk heute einfach Trauffer-Pop, der sich urchig gibt und Jodel und Örgeli einsetzt. Funktionieren tut beides, aber nur über die entsprechenden Frontmänner. Die Musik alleine reicht bei beiden Künstlern nicht aus, um über einen ganzen Abend zu tragen.
Das Publikum bedankt sich
Auch darum füllt Trauffer den Abend mit weiteren Gästen: Das Frauenchörli Härz kommt ebenso noch zu einem grossen Auftritt wie Trauffers ehemalige Band Airbäg. Einige seiner damaligen Bandmitglieder haben seit zwölf Jahren kein Konzert mehr gespielt, und jetzt stehen sie hier im Hallenstadion vor über 10000 Personen. Der Jubel ist gross, der Applaus freundlich, das Gezeigte bleibt harmlos. Tausende Personen halten im Publikum einen gelben Zettel mit «Danke» aufgedruckt in der Hand. Man ist hier dankbar für diesen Trauffer, der einem einfach eine gute Show bieten will. Ohne Umwege, ohne grosses Nachdenken, ohne Hintergedanken. Man will hier einfach feiern.