
Die unbewilligte Kundgebung vom 8. Mai hat Folgen: Anzeigenflut nach der Coronademo in Aarau
Polizei und Behörden zogen nach der unbewilligten Coronademo vom 8. Mai in Aarau eine grundsätzlich positive Bilanz. Statt der angekündigten 8000 Teilnehmer seien es nur 1500 gewesen, zudem sei es gelungen, eine Kundgebung in der Innenstadt zu verhindern. Doch die Kundgebung wird die Justiz noch länger beschäftigen, wie Recherchen der AZ zeigen.
Während der Coronademo in Aarau sprach die Polizei rund 200 Wegweisungen aus, wie Samuel Helbling vom kantonalen Innendepartement sagt.
«Es kam zu 17 Anzeigen wegen Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen. Davon sind zehn bereits bei der Staatsanwaltschaft eingegangen. Diverse weitere Ermittlungsverfahren wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte sowie Hinderung einer Amtshandlung sind am Laufen.»
Die 10 Anzeigen, die schon bei der Staatsanwaltschaft liegen, richten sich gegen Personen, die eine polizeiliche Wegweisung für das Stadtgebiet Aarau missachtet hatten.
Anzeigen von der Polizei – und eine Anzeige gegen die Polizei
Eine dieser Personen, die eine Wegweisung missachteten, ist Christian Rüegg aus Wald ZH, der auf Facebook von der unbewilligten Coronademo in Aarau berichtete. Dabei sagte Rüegg in einem Video, er habe bei der Anreise soeben eine Wegweisung kassiert – am Nachmittag war er aber trotzdem in der Stadt und publizierte zahlreiche Fotos und Livevideos.
Schon am Tag der Demonstration gab die Kantonspolizei ihrerseits bekannt, dass sie einen Mann angezeigt hat, der gegenüber Polizisten handgreiflich geworden sei. Fiona Strebel bestätigt, dass gegen den Mann ein Verfahren wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung, Gewalt oder Drohung gegen Behörden und Beamte, Tätlichkeiten und Beschimpfung laufe.
Stadtrat Aarau zeigt Aktionsbündnis Aargau-Zürich an
An der Einwohnerratssitzung vom 11. Mai kündigte der Aarauer Stadtpräsident Hanspeter Hilfiker an, eine Strafanzeige gegen die Organisatoren der unbewilligten Demonstration einzureichen. Dies ist inzwischen passiert, wie Staatsanwaltschafts-Sprecherin Strebel sagt:
«Von der Stadt Aarau ist eine Anzeige gegen die Verantwortlichen des Aktionsbündnisses Aargau-Zürich für eine vernünftige Corona-Politik eingegangen – und zwar wegen Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen und Widerhandlung gegen das Reglement der Stadt Aarau über die Nutzung des öffentlichen Grunds.»
Das Aktionsbündnis hatte eine Bewilligung für die Demo beantragt, diese war ihnen aber von den Behörden verweigert worden. Darauf teilten die Coronaskeptiker mit, man verzichte aufgrund der fehlenden Bewilligung auf eine Kundgebung und distanziere sich ausdrücklich von der Organisation und Durchführung einer nicht bewilligten Demonstration.
Markus Häni, der Sprecher des Aktionsbündnisses, der bei der unbewilligten Demo selber in Aarau war, äussert sich auf Anfrage nicht zur Anzeige der Stadt. Artur Therekhov, der Rechtsbeistand des Komitees, teilt mit: «Von einer Strafanzeige der Stadt Aarau gegen den Verein Aktionsbündnis Aargau-Zürich bzw. dessen Verantwortliche habe ich keine Kenntnis.»
Rechtsvertreter sieht Aktionsbündnis nicht in der Verantwortung

Artur Terekhov ist Rechtsvertreter des Aktionskomitees Aargau-Zürich.
Dies dürfte laut Terekhov mitunter daran liegen, dass nicht nach jeder Strafanzeige überhaupt ein Verfahren eröffnet wird. Aus seiner Sicht hat das Aktionskomitee wenig zu befürchten, weil die Verantwortlichen nicht vorsätzlich gehandelt hätten:
«Damit scheidet eine strafrechtliche Sippenhaft der ursprünglichen Veranstalter aus, wenn nach der Ablehnung eines Gesuchs eine andere Gruppierung oder ein wilder Haufen Leute davon unabhängig auf die Strasse geht.»
Vor diesem Hintergrund hält es Jurist Terekhov für durchaus realistisch, dass die Staatsanwaltschaft die Strafanzeige der Stadt Aarau mittels Nichtanhandnahmeverfügung erledigt.
Bereits am 18. Mai hat Terekhov im Namen des Aktionsbündnisses beim kantonalen Verwaltungsgericht eine Beschwerde gegen das Demoverbot des Regierungsrats eingereicht. Nicole Payllier, Sprecherin der Aargauer Gerichte, bestätigt den Eingang der Beschwerde und teilt zum Verfahrensstand mit: «Der Schriftenwechsel läuft, zum weiteren zeitlichen Ablauf können im Moment keine Angabengemacht werden.» Terekhov selber rechnet nicht damit, dass vor Herbst ein Entscheid des Verwaltungsgerichts vorliegt, ob das Demoverbot rechtmässig war.
Aargauer Demonstrantin steht im Juli in Zürich vor Gericht
Schon weiter als mit den Verfahren nach der Coronademo von Aarau ist die Zürcher Justiz im Fall einer Aargauerin, die im Mai 2020 an einer unbewilligten Kundgebung teilnahm. Ohne Schutzkonzept und Bewilligung demonstrierten etwa 60 bis 70 Massnahmen-Gegner damals auf dem Sechseläutenplatz in Zürich. Darunter war auch eine 42-jährige Aargauerin.
Zum Zeitpunkt der Coronakundgebung war die maximale Zahl an Personen, die sich versammeln durften, auf fünf beschränkt. Kurze Zeit nach Eintreffen der Gruppe griff die Zürcher Stadtpolizei ein. Mit Lautsprechern riefen sie die Demonstrierenden auf, den Platz zu verlassen. Die Aargauerin wurde auch persönlich von einem Beamten weggewiesen.
Der Frau drohen eine bedingte Geldstrafe und eine Busse von 500 Franken
Als die Polizei eine halbe Stunde später eine weitere Kontrolle durchführte, hielt sich die Frau mit anderen Demo-Teilnehmern immer noch auf dem Sechseläutenplatz auf. Und weigerte sich, der Polizei Folge zu leisten. Die Beamten mussten sie schliesslich festhalten. Nun, rund ein Jahr später, muss sich die 42-Jährige vor Gericht verantworten.

Bei einer Coronademonstration auf dem Sechseläutenplatz wird eine Frau abgeführt – eine Aargauerin, die ebenfalls dort demonstrierte, muss sich am 5. Juli in Zürich vor Gericht verantworten.
«Mit diesem Verhalten unterstützte sie die unbekannten Organisatoren der verbotenen Versammlung wissentlich und willentlich und leistete einen nicht marginalen Beitrag dazu, dass die Versammlung trotz polizeilicher Abmahnung weitergehen konnte», heisst es in der Anklageschrift, die der AZ vorliegt.
Die Staatsanwaltschaft fordert eine bedingte Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu 10 Franken sowie eine Busse von 500 Franken. Der Prozess wegen Widerhandlung gegen die Covid-Verordnung findet am 5. Juli am Bezirksgericht Zürich statt.