
Die vier Aargauer Ständerats-Kandidierenden im Überblick: Wo sie sich einig sind und wo nicht
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In 12 Tagen wissen wir, wer den Kanton Aargau in den nächsten vier Jahren im Ständerat vertreten wird. Beide Sitze sind zu vergeben, da Pascale Bruderer (SP) und Philipp Müller (FDP) beide nicht mehr antreten. Doch wen soll man wählen? Vier Kandidierende buhlen um die Wählergunst. In alphabetischer Reihenfolge sind dies Marianne Binder (CVP), Thierry Burkart (FDP), Hansjörg Knecht (SVP), und Ruth Müri (Grüne).
Eine Möglichkeit zu sehen, wie sie politisieren und wie sie sich unterscheiden, ist der Blick auf den sogenannten Politspider, die Sie in der folgenden Bildergallerie finden.
In der Schweiz gibt es von den meisten Politikern zwei Spider: Einer stammt von Smartvote, der andere von Vimentis. Die AZ arbeitet mit Vimentis zusammen. Deshalb publizieren wir hier diese Spider, basierend auf 73 Fragen aus verschiedenen Themenbereichen. Die AZ hat den Kandidierenden vier Fragen zusätzlich gestellt (vgl. die Antworten am Ende des Artikels).
Alle vier für Impfpflicht im Kindergarten
Zwischen der grünen Kandidatin und dem Bewerber der SVP sind die inhaltlichen Differenzen am grössten. Es gibt wenig Themen, bei dem sie sich einig sind. Noch schwieriger ist es, ein Thema zu finden, bei dem alle vier übereinstimmen. Es gibt sie aber. Alle vier sind für eine Impfpflicht im Kindergarten, wobei Burkart und Knecht diese sehr, Binder und Müri sie eher befürworten.
Ja oder eher ja sagen alle vier auch zu einer Zulassung von Parallelimporten für Medikamente. Einig sind sich Knecht, Müri und Burkart zudem, dass in allen Kantonen als erste Fremdsprache eine andere Landessprache gelehrt werden soll. Binder passt hier, das sei Sache der Kantone.
Erstaunlicherweise fast einig sind sich die vier Kandidierenden aber in einem Thema, das im Aargau besonders hohe Wellen wirft. Es geht um die Frage, ob der Grundbedarf für den Lebensunterhalt der Sozialhilfe gesenkt werden soll. Die Regierung muss das im Auftrag des Grossen Rates prüfen. Müri und Binder wollen davon nichts wissen, Burkart lehnt die Senkung eher ab, Knecht steht neutral dazu.
Unentschieden bei Ganzkörperverschleierung
Müri steht am öftesten allein mit ihren Antworten. Während Binder, Burkart und Knecht Angestellten im öffentlichen Dienst mit Kontakt zur Bevölkerung das Tragen von religiösen Symbolen wie Kruzifixe, Kippas, Kopftücher etc. verbieten wollen, lehnt Müri das völlig ab. Binder fügt hier an, das Tragen von Kruzifixen oder Kippas habe keinen diskriminierenden Charakter. Genau gleich ist Bild bei der Frage, ob bei Kriminaldelikten vermehrt kurzzeitiger Freiheitsentzug anstelle von gemeinnütziger Arbeit oder Geldstrafen ausgesprochen werden soll. Die drei Bürgerlichen stimmen voll zu, Müri lehnt das ebenso deutlich ab.
Müri: Allein mit Nein zu neuen Kampfjets
Ein Unentschieden gibt es in der Frage eines möglichen Verbots der Gesichts- und Ganzkörperverschleierung. Binder und Knecht stimmen voll zu. Burkart lehnt so ein Verbot eher ab, Müri lehnt es gänzlich ab.
Keine Überraschung dürfte da sein, dass Müri als einzige einen neuen Kampfjet mit Fliegerabwehr für acht Milliarden Franken ablehnt, und dass die drei Bürgerlichen so eine Beschaffung klar befürworten.
In der Frage der Ausländerintegration sind sich Binder und Müri dafür öfter näher. So ist Müri sehr und Binder eher dafür, mehr Flüchtlinge direkt aus Krisengebieten aufzunehmen. Burkart und Knecht wollen davon nichts wissen. Dafür sind diese beiden klar für den Ausbau von Grenzkontrollen insbesondere im Bahnverkehr, was Binder eher und Müri ganz ablehnt.
Allein steht Müri aber wieder, wenn es darum geht, ob die Schweiz staatliche Entwicklungshilfe an die Rücknahme abgewiesener Asylbewerber durch ihre Herkunftsländer koppeln soll. Burkart und Knecht fordern dies, Binder ist auch eher dafür, Müri lehnt das ab.
Kündigungsinitiative: hier steht Knecht allein
Zur Aussenpolitik beantworten alle vier nebenstehend die Frage zum EU-Rahmenabkommen. Die erneute Kohäsionsmilliarde wollen Burkart und Binder eher, Knecht bestimmt an Bedingungen knüpfen, sodass die EU auf diskriminierende Massnahmen gegen die Schweiz verzichten muss (Gewährleistung der Börsenäquivalenz).
Müri lehnt diese Verknüpfung eher ab. Wenn es um die Begrenzungsinitiative der SVP geht, ist Knecht allerdings der einzige Befürworter. Die anderen fürchten bei einer Kündigung der Personenfreizügigkeit aufgrund der Guillotine-Klausel um die bilateralen Verträge.
Vier Fragen an die vier Kandidierenden
Braucht es eine Frauenquote in den Führungsgremien von grossen Firmen und in der Verwaltung von Bund und Kantonen?
- Thierry Burkart: Nein, ich lehne Quoten ab.
- Hansjörg Knecht: Nein.
- Ruth Müri: Ja. Ein höherer Frauenanteil liegt im Interesse von Unternehmen und Verwaltung: Gemischte Teams liefern bessere Ergebnisse.
- Marianne Binder: Nein.
Soll die Schweiz den EU-Rahmenvertrag, so wie er jetzt vorliegt, unterzeichnen?
- Thierry Burkart: Nein, ich unterstütze das Vorgehen des Bundesrates, zuerst mit der EU die drei umstrittensten Fragen zu klären.
- Hansjörg Knecht: Nein, Volk hätte nachher nichts mehr zu sagen.
- Ruth Müri: Ja. Das Rahmenabkommen ist für den Wirtschafts- und Forschungsstandort Schweiz wichtig. Zusatzverhandlungen sollen Lohnschutz und Service public gewährleisten.
- Marianne Binder: Nein, aber es braucht einen Vertrag. Der bilaterale Weg ist zentral.
Soll das AHV-Alter auf 67 Jahre erhöht werden?
- Thierry Burkart: Ja, wobei eine Flexibilisierung bei einem Referenzalter 66 (Initiative der Jungfreisinnigen) zielführender ist.
- Hansjörg Knecht: Nein. Zuerst Entwicklungsgelder teilweise in AHV umlagern. Langfristig aber Anpassung an Lebenserwartung unumgänglich.
- Ruth Müri: Nein – Je nach Belastung der Arbeit ist ein differenziertes Rentenalter resp. ein flexibler Übergang sinnvoll.
- Marianne Binder: Ja, unter Voraussetzung der Zumutbarkeit und nur, wenn sich Politik und Wirtschaft klar in der Verantwortung sehen, Konzepte für ältere Arbeitnehmer zu entwickeln. Es ist zynisch, den Fachkräftemangel im Arbeitsmarkt zu beklagen und gleichzeitig hoch qualifizierte ältere Fachkräfte zu diskriminieren, weil sie zu teuer sind.
Braucht es eine CO2-Abgabe auf Benzin, Diesel, Kerosin und Heizöl?
- Thierry Burkart: Auf Heizöl gibt es sie bereits. Im Sinne eines Kompromisses kann ich einer moderaten CO2-Abgabe auf Treibstoffe zustimmen, sofern die Einnahmen für CO2-Kompensation und Forschung eingesetzt werden und nicht eine Umverteilungsbürokratie geschaffen wird.
- Hansjörg Knecht: Keine Abgabe bei Benzin (Benachteiligung Randregionen), bestehende bei Heizöl nicht erhöhen. Beim Flugverkehr machen inselstaatliche Lösungen keinen Sinn. Wirksamer ist das neue Emissionshandelssystem, welches das CO2-Wachstum kompensiert und Anreize für die Airlines schafft, den CO2-Ausstoss durch Effizienzsteigerung zu senken.
- Ruth Müri: Ja. Als Lenkungsabgabe, die pro Kopf der Bevölkerung zurückerstattet wird, ist sie auch sozial verträglich.
- Marianne Binder: Ja. Als marktwirtschaftliches Instrument. Zu diskutieren ist das Mass und zu berücksichtigen sind die Randgebiete.