
Die Vorreiter für Pfarrer-Jobsharing verabschieden sich

Abschied nehmen stand für Ruth und Burkhard Kremer in den letzten Monaten im Zentrum. Nach 21 Jahren im Dienst der Reformierten Kirchgemeinde Zofingen verabschiedete sich das Pfarrer-Ehepaar in den Ruhestand. Gemeinsam traten sie im September 1998 ihre Pfarrstelle in Zofingen an, gemeinsam ziehen sie heute am letzten Julitag nun einen Schlussstrich. «Die Wehmut hat mittlerweile der Freude Platz gemacht», sagt Ruth Kremer-Bieri (65). (Und Burkhard Kremer (63) betont: «Wir sind offen für den neuen Lebensabschnitt – und gespannt, was uns da so alles erwartet.»
Ans Zurücklehnen und Nichtstun denken beide nicht. «Mein Mann ist ja noch nicht ganz im Pensionsalter. Deshalb freue ich mich, in Murgenthal aushelfen zu dürfen», sagt Ruth Kremer. Die Stelle ist befristet, bis ein neuer Pfarrer gefunden ist. So ist es auch bei Burkhard Kremer geregelt, der als Pfarrer Vertretungen in Niederlenz und Seengen angenommen hat. Zudem ist der 63-Jährige bis nächsten Sommer in einem Teilzeitpensum als Seelsorger im Pflegezentrum in Zofingen angestellt. «Was sich danach entwickelt, lasse ich auf mich zukommen», sagt er.
Mit dem neuen Lebensabschnitt beschreitet das Ehepaar Kremer Neuland – auch beruflich, weil es nicht mehr direkt Hand in Hand arbeitet. Im Kanton Aargau waren Ruth und Burkhard Kremer die Türöffner für das Pfarrer-Jobsharing. «Ein Teilzeitamt bei der Landeskirche durchzusetzen war gar nicht so einfach, obwohl es andere Berufe wie die Lehrer bereits vormachten», erinnert sich Ruth Kremer. Die 65-Jährige ist in Oftringen in einer Lehrerfamilie aufgewachsen. Nach ihrem Theologiestudium, einem Vikariat und einem Jahr in Paris folgte die Übernahme einer Vollzeitstelle als Pfarrerin in Reinach. Diese wollte sie sich später – wie auch die Erziehung der Kinder – mit ihrem Mann teilen.
Doch damals gab es von der Aargauer Landeskirche Einwände – unter anderem wegen der Lohnfrage, dem Pensionskassensplitting, aber auch, weil die Gemeinde ja dann nie wisse, wer jetzt arbeite und wer für die Familie verantwortlich sei. «Die Situation wandelte sich, als eine Aargauer Kirchenrätin in ein Teilzeitamt beim Kirchenbund in Bern gewählt wurde», erinnern sich Kremers. Ab 1985 konnten sie in Reinach das Pfarramt splitten und gemeinsam die drei Kinder grossziehen. 1998 traten sie ebenfalls gemeinsam die Pfarrstelle in Zofingen an. Die fünfköpfige Familie zog vom Wynental mitten in die Altstadt in das geräumige Pfarrhaus, das direkt neben dem reformierten Kirchgemeindehaus steht. Seit April stand dieses nun leer und wurde renoviert – für die neue Pfarrfamilie, die eben eingezogen ist.
Mit weniger Gepäck weiterziehen
Seit März wohnen Kremers in einer Wohnung im Pomerngut. «Sich von 9 Zimmern auf die Hälfte einzuschränken war nicht ganz einfach, aber wir konnten viel weitergeben. Von einigem mussten wir uns halt auch trennen», sagt Burkhard Kremer und betont: «Mit etwas weniger Gepäck weiterzuziehen, fühlt sich sehr gut an, denn was bleibt, sind die Begegnungen und die vielfältigen Erinnerungen.»
Über die Anzahl der Gottesdienste, Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen haben sie nicht Buch geführt. Viel wichtiger als Zahlen und Bürokratie ist ihnen der direkte Kontakt. «Wir sind dankbar, dass wir unzählige Menschen von Jung bis Alt in Freud und Leid begleiten durften.» Wie die Kirchenpflege im Informationsblatt «Ausblick» festhält, habe das Ehepaar Kremer «zu einem offenen, bunten und solidarischen Geist in unserer Kirchgemeinde beigetragen» und «ihr Engagement ging in diesen Jahren über die Kirchenmauern hinaus». So war Ruth Kremer massgeblich an der Entstehung des Vereins Integrationsnetz der Region Zofingen beteiligt. Zur Nächstenliebe haben die beiden nicht nur auf der Kanzel aufgerufen, sondern sie auch gelebt. Fast zehn Jahre lang lebte eine aus dem Irak geflüchtete Frau unter ihrem Dach.
Der Abschied vom Pfarrhaus und dem Pfarramt erfolgte schrittweise. «Zuerst sind die Kinder ausgezogen, dann hat Hamide, unsere Mitbewohnerin, eine Wohnung gefunden und wir sind in unserem neuen Daheim auch angekommen», sagen Ruth und Burkhard Kremer, die in einem festlichen Gottesdienst Anfang des Monats in der Stadtkirche Zofingen offiziell verabschiedet wurden. Nun freuen sie sich auf mehr Zeit mit ihren zwei Enkeln und für ihre Hobbys. Wichtig ist beiden das Lesen und der Austausch mit Freunden. Burkhard Kremer will auch künftig hin und wieder als Bus-Chauffeur unterwegs sein und sich als Hobbyschreiner und Geschichtensammler betätigten.
Ruth Kremer engagiert sich weiterhin in der Kirchenpolitik. Sie bleibt Mitglied der Aargauer Synode und Abgeordnete im Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund. Neue Energie tankt sie bei Spaziergängen, beim Singen im Chor sowie wenn sie von Strickzeug und Nähmaschine oder ihren Enkelkindern umgeben ist. «Langweilig wird es uns bestimmt nicht», sagen Ruth und Burkhard Kremer, die heute Abend ihre Schlüssel und ihr Amt an ihre Nachfolger Christa Steinhauer und Rudolf Gebhard übergeben.