
«Die Welt ist besser, als sie dargestellt wird»
Monika Estermann und Robert Spengeler berichten am 1. März in der Aula des Gemeindeschulhauses in Zofingen im Rahmen einer Multimedia-Präsentation von ihrer Reise. Beginn: 19:30. Eintritt frei – Kollekte erwünscht.
«Reist du gern?», fragt Monika Estermann ihren Partner Robert Spengeler als erstes, als sich die beiden vor 17 Jahren kennenlernen. Die gelernte Malerin und Stewardess liebt das Reisen. Sie erzählt Robert, dass sie irgendwann eine lange Veloreise unternehmen möchte – inspiriert von der Weltenbummlerin Heidi Triet, die in den 90er-Jahren mit dem Fahrrad um die Welt geradelt war. Robert, der zu diesem Zeitpunkt als Elektroniker und Systemtechniker arbeitet, lässt sich von der Idee schnell überzeugen. Die beiden fassen einen Entschluss: Sie möchten gemeinsam mit dem Velo bis nach Indien radeln.
70 Kilogramm Gepäck
Im Mai 2004 geht die Reise nach drei Jahren des Vorbereitens und Sparens los: Monika und Robert starten mit ihren Tourenvelos und je 70 Kilogramm Gepäck ab Zürich in Richtung Osten. «Die ersten Etappen hatten es in sich», erinnert sich die heute 45-jährige Monika und lacht. «Wir hatten kaum Velo-Erfahrung», ergänzt Robert, heute 53. Das Training der beiden beschränkte sich auf eine einwöchige Velotour im Jura vor der grossen Reise. Doch sie gewöhnen sich schnell an das Gewicht der Fahrräder und des Gepäcks.
Nach einem Jahr erreichen Monika und Robert, in der Heimat inzwischen bekannt als «Velocos» (Wortkombination aus «Velo» und dem spanischen Wort «loco» für verrückt) ihr Ziel Indien, wo die Reise ursprünglich enden sollte. Doch beide hat inzwischen das Reisefieber gepackt. Familie und Freunde aus der Heimat, mit denen sie über das Internet im Kontakt bleiben, motivieren das Paar, die Reise fortzusetzen. Und so durchquert das Duo Pakistan, radelt über 5000 Meter hohe Pässe hinauf in den Tibet, fährt weiter nach Südindien, segelt über den indischen Ozean nach Malaysia. Dann pedalen Monika und Robert mit ihren Velos durch Südostasien, China, Japan und Südkorea. Mit einem Containerschiff geht es weiter nach Mexiko, von wo aus die Radler den gesamten amerikanischen Kontinent durchfahren. In Afrika, darunter Kenia und Botswana, führt die Reise vorbei an wilden Tieren. Über den Sudan mit seinen stürmischen Winden und das Niltal fahren Monika und Robert nach Jerusalem, von wo aus sie eine Fähre nach Süditalien bringt. Sie reisen über Griechenland, den Balkan und Slowenien. Dann radeln sie über die Alpen zurück in die Schweiz, wo ihre Reise vor 13 Jahren begann. 64 Länder, 101 024 Kilometer und 22 000 nautische Meilen liegen hinter ihnen.
Auf ihrer Fahrt um die Welt lernen Monika und Robert viele verschiedene Menschen, ihre Geschichten und Kulturen kennen. «Die Welt ist besser, als sie dargestellt wird», sagt Monika. Die Offenherzigkeit vieler Einheimischer bleibt dem Paar in Erinnerung. «Jene, die wenig besassen, waren oftmals die gastfreundlichsten.» So ist das Paar einmal in Pakistan bei einer Familie zu Besuch, deren Mitglieder alle im selben Raum schlafen müssen. Den Gästen will die Familie der Tradition entsprechend aber das Beste anbieten und bringt sie in einem separaten Zimmer unter, das der Grossmutter gehört. «Wir hatten ein schlechtes Gewissen, lernten aber, dass man aus Höflichkeit nicht ablehnen darf», erzählt Monika.
Arbeiten für Kost und Logis
Wenn die beiden nicht bei Einheimischen oder in ihrem Zelt übernachten, kommen sie in Klöstern, Moscheen und Kirchen unter. Hotels sprengen das Budget der Weltreisenden. In mehreren Ländern nehmen sie an Projekten für Freiwilligenarbeit teil, wo sie umsonst Kost und Logis erhalten. Als ihnen in Kanada das letzte Ersparte ausgeht, bleiben die Nomaden für fast ein Jahr sesshaft. Sie verdienen ihr Geld unter anderem mit Tomaten pflücken und Reparaturarbeiten. Das Leben draussen an der frischen Luft härtet die beiden ab, wie sie heute sagen. So sind sie auf ihrer langen Reise kaum krank. Nur einmal, in Südindien, machen beide einen Malaria-Schub durch und müssen für kurze Zeit ins Spital. Ans Aufgeben denken sie trotzdem nicht. «Der Körper zwang uns nie zur Rückkehr», sagt Monika. Die Herausforderung sei eher der Kopf gewesen, die Disziplin. «Wir haben es aber immer geschafft, uns gegenseitig zum Weiterfahren zu motivieren.»
Heute leben Monika Estermann und Robert Spengeler in Walterswil. Die Rückkehr in die Schweiz war für beide ein Kulturschock. «Es wurde viel gebaut in den letzten Jahren», sagt Monika und lacht. «Sursee zum Beispiel habe ich kaum wiedererkannt.» Für immer bleiben sie nicht hier. Im Sommer möchten beide auf einer Alphütte arbeiten, später im Agrotourismus selbständig werden. So genau wissen sie es noch nicht, sagt Monika. «Wir planen nicht mehr so weit voraus.»


