
Dieter Ammann, die Tischbombe: Vorpremiere des srf-Dokfilms über den Zofinger Komponisten
Fast drei Jahre hat der international bekannte Zofinger Komponist und Musiker Dieter Ammann an seinem Klavierkonzert «Gran Toccata» gearbeitet. Im Herbst 2019 feierte das halbstündige Werk Premieren in London, Boston, Taipeh, Helsinki und München, mit dem Schweizer Pianisten Andreas Haefliger am Flügel, begleitet von einigen der besten Orchestern der Welt. Diesen Sommer war eine Aufführung am Lucerne Festival geplant – was die Pandemie verhinderte. Dies soll nun nächstes Jahr nachgeholt werden.
Wie entsteht eigentlich ein solches Werk zeitgenössischer Musik? Der Filmemacher Daniel von Aarburg schaute Ammann beim Komponieren über die Schulter; entstanden ist ein Dokumentarfilm, der berührende und intime Einblicke in Ammanns Arbeit gibt. Zu sehen ist er im Rahmen der Reihe «Sternstunde Musik» am 23. August um 11.55 Uhr auf SRF.
Den Namen Dieter Ammann habe er bis vorletzten Frühling gar nicht gekannt, gestand von Aarburg anlässlich der Vorpremiere am Freitag im Zofinger «Scala». Markus Wicker, der Redaktionsleiter Musikproduktion und Events beim SRF, habe ihn gebeten, Ammann einmal zu treffen. «Nach ungefähr 90 Sekunden war klar, dass ich den Film machen würde», so von Aarburg. «Das hat mit Dieter zu tun. Im Medienjargon würde man sagen, er ist eine Tischbombe. Man weiss nicht, was rauskommt, aber es ist immer gut und meistens lustig.»
«The Big Story» in seinem Film sei der künstlerische Prozess, sagt von Aarburg; «Als wir mit dem Drehen begannen, hatte Dieter bereits etliche Deadlines verstreichen lassen.» Man sieht Ammann mit Bleistift und Radiergummi vor dem Flügel sitzen, kann sein Feilen an der Komposition beobachten. Am intensivsten ist der Film in jenen Momenten, in denen Ammann mit dem Solisten Andreas Haefliger den sehr schwierig zu spielenden Klavierpart durchgeht. Haefliger hatte nur einige Wochen, ihn einzuüben – anfänglich ist die Angst, es bis zur Premiere nicht zu schaffen, förmlich mit den Händen zu greifen. Haefliger schafft es dann natürlich doch, allerdings nur, weil er in zwei Wochen so intensiv und viel übte wie üblicherweise in drei Monaten. Ammann bringt nicht nur sich selbst an seine Grenzen, sondern auch die Musiker, die seine Kompositionen aufführen.
Deutlich zu spüren ist auch, dass sich der Filmemacher und der Protagonist blendend verstanden. «Was ich mit dem Filmteam erleben durfte, ging weit über ein Arbeitsverhältnis hinaus», sagte Ammann anlässlich der Vorpremiere. Berufliche Kompetenz und emotionale Empathie seien ineinandergeflossen. «Das half, dass der Film etwas Schönes und Spezielles wurde.» Die Zeit in Zofingen habe er als «Abhängen mit Dieter und dabei eine gute Zeit haben» in Erinnerung, meinte von Aarburg. Zum Tragen kam offensichtlich wieder einmal eine herausragende Eigenschaft Ammanns: seine grosse Offenheit für andere Menschen. Diese beeindruckte vor 20 Jahren schon die heutige SRF-Kulturchefin Susanne Wille, die am Freitag ebenfalls unter den Gästen war.
Ammann selbst – und das macht ihn auch so sympathisch – ist nicht von sich selbst beeindruckt, sondern vor allem von seiner Frau, Yolanda Senn Ammann. Ohne sie wäre «Gran Toccata» wohl immer noch in Arbeit. «Sie drängt mich zum Komponieren», sagte er. Im Zurücklehnen sei er definitiv besser als sie. «Unser Familienleben ist nicht immer geregelt. Wenn man meine natürliche Faulheit mit einbezieht, ist es umso bedenkenswerter, was sie leistet.»