
Dilli Schaub – Sie lebt im Heute und Morgen

SERIE
Im Rahmen der Serie «Was macht eigentlich …?» haben Redaktorinnen und Redaktoren dieser Zeitung mit Menschen gesprochen, die Schlagzeilen gemacht haben. Wir fragen nach, was sie heute machen – und schwelgen mit ihnen in Erinnerungen.
Bei Dilli Schaub läuft das Radio daheim ununterbrochen, sie möchte informiert bleiben. Sie nennt die Radiostation liebevoll «DRS1» und vergisst dabei, dass sie seit Ende 2012 neu «SRF1» heisst. Ein solcher Versprecher ist für die nächsten Minuten die Ausnahme, denn die 82-jährige ehemalige SP-Politikerin beweist immer wieder aufs Neue, wie wortgewandt sie heute noch ist.
Politische Rhetorik braucht sie heute sehr selten. Bei der Arbeit im Kräutergarten hilft ihr beispielsweise eine kleine Gartenharke. Auch Kochen gehört zu ihren Hobbys. «Ich habe sehr gerne Gäste, zum Beispiel meine Familie, doch ich musste feststellen, dass ich nicht mehr so lange stehen kann wie früher», so die siebenfache Grossmutter.
Von St. Petersburg bis nach Südamerika
Wofür sie nach ihrer politischen Karriere deutlich mehr Zeit aufwendet, ist das Reisen. Gleich nach ihrem Rücktritt aus dem Stadtrat Ende 2001 bereiste sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Hugo Schaub St. Petersburg und Moskau. «Damit ging ein Traum in Erfüllung», erinnert sich Dilli Schaub zurück. Ganz nach ihrem Motto «Trauere nichts nach und lebe heute» hat das Ehepaar die Reise sofort angetreten. «Wir wollten nicht warten, bis jemand von uns erkrankt und nicht mehr mitkommen kann», so die vierfache Mutter, die bereits über 60 Jahre mit Hugo Schaub verheiratet ist. Sie bereisten gemeinsam mit einem befreundeten Ehepaar unter anderem die Ostsee, Südamerika und die baltischen Staaten.
Auch der Jazz ist eine grosse Leidenschaft, dem sie gemeinsam mit ihrem Ehemann und Freunden regelmässig an Konzerten frönt. Wenn Dilli Schaub zu Hause weilt, geht sie häufig in die Altstadt. «Die Altstadt ist mein Kind, ich liebe sie», schwärmt sie. Samstagsmarkt, Stammtisch und spontane Begegnungen: Dilli Schaub scheint ständig unterwegs zu sein. Auch mit den ehemaligen Stadträten trifft sie sich regelmässig. Zu viert jassen sie einmal monatlich und mit weiteren Ehemaligen trifft sie sich lose durchs Jahr. «Wir haben einen guten Zusammenhalt», so Schaub. Auch wenn sich Ehemann Hugo Schaub mit Freunden an seinem geliebten Forellenweiher aufhält, kehrt keine Eintönigkeit bei ihr ein: «Um Himmels willen, mir war noch nie langweilig!», antwortet sie mit Nachdruck. Und man glaubt ihr aufs Wort.
Heute gilt für ihre Freizeit «Dürfen» statt «Müssen»
Obwohl sie seit 18 Jahren nicht mehr als Vizeammann und im Stadtrat tätig ist, hat die Politik nicht an Wichtigkeit für Dilli Schaub verloren: «Mich interessiert das politische Geschehen noch immer unwahrscheinlich, nicht nur in der Schweiz.» Häufig sei sie kurz davor gewesen, beim Zeitunglesen einen Leserbrief zu schreiben, doch dann flaut das aufbrausende Gefühl im Verlaufe des Tages ab und sie lässt es sein. «Ich habe grundsätzlich sehr Freude, wie es im Moment in Zofingen läuft», so die ehemalige Vollblutpolitikerin. Laut Schaub beschwere man sich heute auf einem hohen Niveau. Dass noch immer Politik durch ihre Adern fliesst, merke man vor allem während den National- und Ständeratssessionen. «Ich muss mich dann immer zwingen, nicht zu lange vor dem Fernseher zu hocken», erzählt sie. Wenn sie zurückdenkt, ist sie froh, dass sie heute an keinen Anlass mehr muss, der ihr nicht vollumfänglich zusagt. Heute steht bei ihr das «Dürfen» im Vordergrund und nicht das «Müssen». Im Gegensatz dazu fehlten ihr die Kontakte zu den Mitmenschen, die sie als Stadträtin sehr pflegte. Auch die Diskussionen und die Entwicklung von Projekten sind Dinge, die Dilli Schaub gerne getan hat. Unter anderem war sie für den Aufbau einer für die Gemeinde notwendigen Jugend- und Familienberatungsstelle zuständig. Dazu gehörte die Anstellung eines Street-Workers in einem 20-Prozent-Pensum. Dafür hat sie auf eigene Faust 85 000 Franken von Privaten, der Industrie und Stiftungen gesammelt – und das nur durch persönliche Gespräche und keine Briefe, wie sie festhält.
Für die Zukunft wünscht sie sich und allen weiteren Generationen eine bessere Welt. «Es wäre schön, wenn wir weniger egoistisch wären», so Schaub. Grosse Freude hatte sie deshalb auch an den klimastreikenden Jugendlichen. «Sie sind unser schlechtes Gewissen, schliesslich haben wir die Welt kaputt gemacht und nicht sie.»