
Diskussion um freie Impfstoff-Wahl – noch stellt sich aber die Frage der Versorgung
Die Aussage vor Weihnachten war klar. Christoph Berger, Präsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen, sagte: «Personen werden nicht wählen können, welchen Impfstoff sie bekommen. Es wird kein Wunschkonzert geben.»
Das Thema ist relevant, da es viele Skeptiker gegenüber den neuartigen mRNA-Impfstoffen gibt. Jener des Duos Pfizer/Biontech ist bereits zugelassen, das Corona-Vakzin von Moderna dürfte in der Schweiz demnächst ebenfalls grünes Licht erhalten. Der Impfstoff von Astrazeneca, der auf einem älteren Wirkmechanismus beruht, dürfte nicht vor Ende Januar zugelassen werden.
Wie Martin Bäumle Impfskeptiker an Bord holen will
In Deutschland prescht die Stadt Berlin nun vor. «Bürgerinnen und Bürger sollen die Freiheit haben, sich entscheiden zu können, mit welchem Impfstoff sie geimpft werden», sagte die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci am Wochenende. Die Stadt will je nach Impfzentrum nur jeweils ein Vakzin anbieten. Bei der Terminanmeldung könnten die Berliner somit bestimmen, welches der zugelassenen Mittel sie bekommen, sagte Kalayci dem Fernsehsender RBB.
In der Schweiz können sich vor allem bürgerliche Politiker für die Idee erwärmen. «Ich bin für die Möglichkeit, dass Impfwillige unter den verschiedenen Corona-Vakzinen wählen können», sagt Martin Bäumle, Nationalrat der Grünliberalen. Auch wenn ich persönlich die mRNA-Impfstoffe bevorzuge, so kann ich die Skepsis mit Blick auf die Neuartigkeit des Vakzins verstehen. «Haben die Menschen die Wahlfreiheit, so können wir vermehrt Impfskeptiker an Bord holen», sagt Bäumle.
Derzeit fehlt es an genügend Impfstoffen
Natürlich stelle sich die Frage der Machbarkeit, insbesondere bei der Logistik. Zudem sei noch nicht klar, wann, welcher Impfstoff in der Schweiz verfügbar sei und zu welcher Menge, sagt Bäumle. Die Logistik dürfe keine Hürde sein, das seien lösbare Probleme, sagt dagegen SVP-Nationalrat Thomas de Courten. Das Ziel müsse sein, eine möglichst hohe Durchimpfungsrate zu erreichen. Dies könne mit der Wahlfreiheit gefördert werden, sagt der Baselbieter.
Skeptisch zeigt sich BDP-Nationalrat Lorenz Hess: «Bevor die allgemeine Versorgungssicherheit mit den Impfstoffen nicht gewährleistet ist, sollten wir nicht mit dem Thema Wahlfreiheit vorpreschen.» Wolle man das seriös aufgleisen, sei dies administrativ und logistisch anspruchsvoll. Zudem fragt sich Hess, wie gut Impfwillige tatsächlich in der Lage seien, zu beurteilen, welches Vakzin für die jeweilige Person das richtige sei.
SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen teilt die Bedenken. «Wir befinden uns der Zeit angesichts der geringen Mengen an Impfstoff nicht in der Lage, die Wahlfreiheit zu ermöglichen.» Derzeit gebe es mehr Impfwillige als Dosen, daher stelle sich die Frage gar nicht, sagt die Bernerin. Wie de Courten ist sie Mitglied der Gesundheitskommission des Nationalrats.
Grosser logistischer Aufwand bei Wahlfreiheit
Sollte sich zeigen, dass einer der verfügbaren Impfstoffe von der Bevölkerung favorisiert werde, so könne diese Frage später nochmals aufgebracht werden. Für Ständerätin Maya Graf (Grüne) hat die Geschwindigkeit Priorität. Nun gehe es darum, vordringlich ältere Menschen und Angehörige der Risikogruppen zu impfen. Die Wahlfreiheit bringe ein grosser logistischer Aufwand mit sich, was die Impfkampagne verlangsamen könnte.
Inzwischen klingt Christoph Berger, Präsident der Impfkommission nicht mehr ganz so absolut. «Derzeit sind wir immer noch in der Situation, dass es viel mehr Impfwillige als Dosen gibt.» Die Kommission gehe nicht davon aus, dass man in der Schweiz wählen könne. In den Impfzentren und Spitälern sei jeweils ein Impfstoff verfügbar und nicht mehrere.
Immerhin könne der Moderna-Impfstoff im Gegensatz zum Produkt von Pfizer/Biontech von Hausärzten eingesetzt werden, da ersterer nicht so stark gekühlt werden muss. «Wenn findige Impfwillige dann deswegen zum Hausarzt oder ins Impfzentrum oder Spital gehen, dann ist das so», sagt Berger. Wenn diese Woche das Moderna-Vakzin zugelassen werde, seien zwar zwei verfügbar. Da die beiden gleichwertig seien, stelle sich die Frage nach der Wahlfreiheit ohnehin noch nicht.
Welcher Impfstoff verabreicht wird, entscheidet die impfende Fachperson
Zum heutigen Zeitpunkt könne man nicht zwischen Impfstoffen auswählen, sagt eine Sprecherin des Bundesamt für Gesundheit. Je nach Eigenschaften der Impfstoffe werden diese unterschiedlichen Zielgruppen empfohlen, etwa besonders gefährdeten Personen. Welche Zielgruppe wann geimpft werden könne, sei in den Impfempfehlungen festgehalten. Diese würden durch das Bundesamt in Zusammenarbeit mit Impfkommission erarbeitet.
Die impfende Fachperson entscheide, welcher Impfstoff hinsichtlich der Wirksamkeit und der Verträglichkeit passend sei. Für jede Person werde somit der geeignete Impfstoff ausgewählt, sagt die Sprecherin.
Auch in anderen Ländern gibt es derzeit keine Wahlfreiheit. In den USA hängt das zwar vom jeweiligen Bundesstaat ab. Soweit dies ersichtlich ist, können Impfwillige jedoch nicht entscheiden, welches Vakzin sie erhalten. In Grossbritannien gibt es ebenfalls keine Wahlfreiheit, wie ein Sprecher des zuständigen Ministerium für Gesundheit und Soziales auf Anfrage sagt. Auch in Israel, das bislang am meisten Menschen geimpft hat, ist das nicht möglich.