
«Dormicum»: Bittere Pillen mit aufhellender Wirkung
Scheidungsschmerz, ertrunkene Flüchtlinge im Mittelmeer und schwere körperliche Leiden: Die Anwendung von Lachtherapien, um mit diesen Kalamitäten klarzukommen, ist Patrick Frey ein Greuel. «Grundlos lachen, um sich zu heilen, das ist krank», lässt er das Publikum in der Youhall Oftringen wissen. Da schwört der wortgewandte Conférencier des schwarzen Humors lieber auf die Mechanik der Comedy, die, obschon von allerhand Antibiotika konkurrenziert, freiwilliges Lachen produziert. Und, notabene, durchs Spiegelvorhalten auch die eine oder andere Erkenntnis generiert.
Lachseminare bieten als aktive Sterbehilfe zum Discountpreis von 75 Franken für eine tödliche Stundeninjektion eine echte Alternative. Die alles andere als wohlfeilen Pentobarbital-Behandlungen von Exit oder Dignitas können da gleich abdanken. Wobei auch diese mit entsprechendem Betreuungspersonal, so zum Beispiel Politikern, ihren Reiz hätten. «Bundesrat Johann Schneider-Ammann wäre mir als Sterbehelfer am liebsten», unterstreicht Frey. «Bis er mir, vorzugsweise auf Französisch, erklärt hätte, wie es geht, wäre ich schon lange tot.»
Zerfall und Tod ist nur mit Lachen beizukommen. Warum also nicht gleich den Knochenmann in die Arme nehmen und zum Totentanz ansetzen? Wer gegenüber allem Körperlichen schamlos genug ist, kann den ernsten Gesellen längst mit seinem Witz übertrumpfen. Schamlosigkeit hat die Bühnenfigur von Patrick Frey reichlich. Eine Frau ist für diesen Sinnierenden in Sachen Tod als Sterbehelferin ungeeignet. Ausser sie wäre schon 120 Jahre alt. Eine buspere 70-Jährige würde ihn dazu verführen, sein sexuelles Raubtier wenigstens noch einmal aus seinem MeToo-Käfig rauszulassen.
Vor dem Tod gilt es aber zunächst das Alter – ein desaströses Kapitel für sich – zu bewältigen. Auch wenn der Collagenabbau schlimmer empfunden wird als der Abbau von Sozialleistungen: Die unendliche Müdigkeit des faltenbeworfenen Angesichts lässt sich mit Nachtcremen à la «Advanced night repair» oder «Microsculpting Elastic Eye Concentrate» nicht wegglätten. Hodensackstraffungen ziehen einem die Mundwinkel derart nach unten, dass das Gesicht unweigerlich zur Roger-Köppel-Mimik einfriert. Das gleich mitgebuchte Analbleaching hellt die Stimmung auch nicht auf.
Solcherlei Bösartigkeiten zu einer Gesellschaft, die sich derart lifestyleüberformt ans Leben klammert, lassen sich schwerlich über 100 Minuten durchhalten. Deshalb durchbricht Patrick Frey seine auf Knalleffekte getrimmte Stand-up-Comedy auch mal mit einem literarischen Erguss. In der Spitalnovelle «Unklares Bauchweh» folgt das Publikum dem Helden Ruedi Banz mit angehaltenem Atem in den Notfall. Dort sind sich die Ärzte derart selbst am nächsten, dass noch der letzte Rest Respekt vor den Weisskitteln schwinden muss.
Die entwaffnendste Komik des Abends gelingt Patrick Frey in seiner Rolle als Hundefreund, der zu Weihnachten leidgeprüfte Hunde beherbergt. Der geschlechtsumgewandelte Transpuggle Findus, die Husky-Hybride Salome oder die magersüchtige Hannoveranerhündin Chloe: So lustig die psychologisierende Schilderung ihrer Gebresten ist, so sind sie doch Abbild des Monsters Mensch. Indem das Publikum zum Lied «Stille Nacht» des Hundefreundes mitsingt, zollt es dem Tier, das wie kein anderes auf den Menschen gesetzt hat, humorigen Respekt.
Der Arzt als Junkie
Zum Schluss wird es nochmals literarisch. Der von Schlafstörungen geplagte Migrationsfachmann Hitz sieht sich einem Arzt ausgesetzt, der ihn zum Grausen umfangreich über das Schlafmittel «Dormicum» aufklärt. Selbst ein Junkie des real existierenden und nicht eben ungefährlichen Benzodiazepins, verliert sich der Arzt derart in Storys zu Nebenwirkungen und Dosierungskniffen, dass seine wiederholten Empfehlungen mörderisch komisch wirken. Die geistige Überforderung lässt den Patienten wenigstens den lang ersehnten Tiefschlaf finden.
Patrick Frey gelingt ein Programm, das unter die Haut geht. Die von raschen Pointen angetriebene schwarzhumorige Überforderung lässt einen hilflos auflachen. Obwohl völlig unbedroht, hat man das Gefühl, man sei dem Tod an diesem Abend noch einmal von der Schippe gesprungen. Der ebenso kluge wie charmante Überfall aufs Zwerchfell ist das Gegenteil eines Schlafmittels. Die Begeisterung im Publikum entspricht der Kraft eines Adrenalinstosses.