Douglas Günthardt zum Sturm aufs US-Kapitol: «Darum müssen wir schützen, was wir haben»

Als Douglas Günthardt am Mittwochabend die Schlagzeilen vom Sturm aufs Kapitol erreichten, mochte er sich nicht vor den Fernseher setzen. «Ich habe genug von Trumps Reality-Show. I am exhausted», sagt er im Gespräch mit dem Zofinger Tagblatt. Die Ereignisse wühlen ihn auch ohne die verstörenden TV-Bilder auf. Der 61-Jährige ist aufs Engste mit den USA und deren politischen Traditionen verbunden. Seine Mutter war Amerikanerin, Günthardt ist in den Vereinigten Staaten geboren und verbrachte dort viele Jahre seiner Kindheit. Nach der Matura in Paris, wo er perfekt französisch sprechen lernte, studierte er an der Harvard University und an der Stanford Graduate School of Business, zwei der renommiertesten US-Universitäten. Seine Berufskarriere absolvierte er in der Schweiz, zunächst bei Hewlett-Packard und Compaq, später bei der Siegfried Holding AG, die er zwischen 2000 und 2008 als CEO leitete. Seit seiner Zeit bei der Siegfried AG wohnt er in Zofingen; seinen US-Pass gab er erst vor wenigen Jahren zurück.

Dass Trump es ins Weisse Haus geschafft habe, sei dem Umstand zu verdanken, dass die Republikaner im «King of Reality-TV» die einzige Möglichkeit gesehen hätten, genug Stimmen in den Swing States zu holen, den umkämpften US-Bundesstaaten also. Damit seien sie aber auch so etwas wie einen Faustischen Pakt eingegangen: Während sich in Goethes Drama der Protagonist auf einen Handel mit dem Teufel einlässt, hätten sich die Republikaner auf einen Handel mit Trumps Narzissmus eingelassen, um ihre Agenda durchzusetzen: tiefe Steuern, weniger Regulation, konservative Richter am Obersten Gerichtshof.

«Trumps Motto ist: ‹Wenn Du mich schlägst, schlage ich zehnfach zurück.› Damit konnte er eine Ader von Wählern anzapfen, die sich benachteiligt fühlen, vor allem weisse Männer.» Ohne sie wäre Trump nicht ins Weisse Haus eingezogen. Ironischerweise gehe es vielen seiner Unterstützer nicht besser als vor vier Jahren. «Trump geht es immer nur um sich selbst.»

Im Faustischen Pakt mit Trumps Narzissmus zahlten die Republikaner nun einen hohen Preis. «In Trumps Drehbuch kommen zwei wichtige politische Normen nicht vor: gegenseitige Toleranz und die Absicht, die Macht dem Willen der Gesetze unterzuordnen», sagt Günthardt. «So tötet man Demokratie: Indem man die Legitimität der politischen Gegner nicht respektiert.»

Aus Sicht der Republikaner habe Trump zwar geliefert – beispielsweise am Supreme Court drei konservative Richter installiert, die nun auf Lebenszeit gewählt sind. Aber als Narzisst könne er einfach nicht verlieren: «Weil er immer nur gewinnen kann, muss für ihn Betrug im Spiel sein, wenn er verliert.» Gegipfelt habe Trumps Narzissmus in seiner Brandrede, die dem Sturm aufs Kapitol vorausging, einem «hallowed ground of US democracy» – geheiligtem Boden der amerikanischer Demokratie. «Trump hat das Gegenteil von dem gemacht, was Lyndon B. Johnson in seiner berühmten Rede fünf Tage nach der Ermordung John F. Kennedys getan hat.* Diese einte das erschütterte Amerika. Trump dagegen spaltet und separiert.»

Unter dem Strich, so Günthardts Fazit, hätten die Republikaner mit dem Abenteuer, auf Trump zu setzen, sehr viel verspielt. «Die vier Jahre Trump repräsentieren nicht das, was die USA als Demokratie historisch geleistet haben», sagt er.

Und mit Blick auf die Schweiz meint der ehemalige Siegfried-Manager: «Wenn bei uns ein narzisstischer Bundesrat gewählt wird, kann er nicht so viel Unheil anrichten wie Trump in den USA.» Man sehe jetzt, wie «lucky» die Schweiz mit ihrem System sei. «Darum müssen wir schützen, was wir haben.»

* «The time has come for Americans of all races and creeds and political beliefs to understand and to respect one another. So let us put an end to the teaching and preaching of hate and evil and violence. Let us turn away from the fanatics of the far left and the far right, from the apostles of bitterness and bigotry, from those defiant of law, and those who pour venom into our Nations’ bloodstream.»