
Drohungen gegen Gemeindeangestellte: «Zum Alltag gehört das nicht»

NACHGEFRAGT BEI KURT GRAF, MEDIENSPRECHER KAPO LUZERN
«Wir empfehlen den Gemeinden Anzeige zu stellen»
Kommen Drohungen – allenfalls sogar Morddrohungen – gegen Gemeindeangestellte und Behörden im Kanton Luzern öfters vor ?
Kurt Graf (Luzerner Polizei): Drohungen kommen immer wieder vor, doch meist sind es nicht Morddrohungen. Meistens sind es eventuell allgemein formulierte Drohungen wie «ich komme und räume auf» , «ihr werdet schon noch sehen» et cetera.
Was raten Sie den betroffenen Gemeinden in solchen Fällen?
Wir empfehlen den Gemeinden Anzeige zu stellen. Ansonsten werden Droher in ihrem Vorgehen bestärkt und machen meistens weitere Drohungen. Zudem bieten wir betroffenen Behörden Beratungsangebote durch unseren Dienst Prävention an. Bei solchen Beratungen wird meistens vor Ort die Thematik besprochen und präventive Massnahmen vorgeschlagen. Die Luzerner Polizei gibt auf Wunsch eine Broschüre ab «Tipps für Verwaltungsangestellte». Darin enthalten sind gesetzliche Bestimmungen, Prävention am Arbeitsplatz, Verhalten bei aggressiven Personen und weitere Informationen.
Ist eine allgemeine Tendenz zu beobachten?
Im Langzeitvergleich kann man von einer Zunahme sprechen. In den letzten Jahren wurde jedoch keine gravierende Veränderung festgestellt.
Wo ist die Grenze zu einer strafbaren Handlung überschritten?
Dies ist der Fall, wenn die Tatbestände wie Drohung (StGB Art. 180), Nötigung (StGB Art. 181) und Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (StGB Art. 285) vorliegen. Bereits Beschimpfungen (StGB Art. 177) können zur Anzeige gebracht werden.
Die Luzerner Polizei bietet einen Kurs für den Umgang mit «schwierigen» Kunden an. Was beinhaltet dieser?
Wie schon vorangehend aufgeführt, hat die Luzerner Polizei Spezialisten für die Prävention. Diese Dienststelle kann telefonisch oder per Internet unter dem Link: https://polizei.lu.ch/praevention angefragt werden. Auf Wunsch gehen Berater zur anfragenden Stelle und machen eine Beratung vor Ort. Dies ist empfehlenswert, da Behörden auf ihre speziellen Bedürfnisse beraten werden. Weiter bieten die Luzerner Polizeidienststellen ein Referat zum «Umgang mit schwierigen Kunden» an.
Welche Massnahmen empfehlen Sie allgemein zur Prävention, damit es gar nicht zur Eskalation kommt?
Dies ist individuell unterschiedlich. Sicherlich wichtig sind Einrichtung der Räumlichkeiten, Vorbereitung auf Kundenkontakt, psychologische Aspekte, Gesprächsführung und der Umgang mit allfälligen Drohungen und Nötigungen und natürlich, ganz wichtig, auch das Verhalten im Notfall. Detailliert aufgeführt sind all diese Präventionsmassnahmen in unserer Broschüre.
Gemeindeangestellte in Wikon haben Morddrohungen erhalten, wie wir gestern berichteten. Der Wikoner Gemeinderat verkündet «null Toleranz» ab sofort. Es wird auf strafrechtliche Verfolgung gesetzt – wie es auch die Luzerner Polizei empfiehlt (siehe Interview diese Seite).
In Reiden ist es vor rund anderthalb Jahren zu einem gravierenderen Zwischenfall gekommen, als ein Kunde der Gemeindeverwaltung laut wurde und sich auf das Verwaltungspersonal bedrohlich zeigte. Es kam zu einem Polizeieinsatz, die Person wurde abgeführt. «Aufgrund dieses Vorkommnisses haben wir professionelle Hilfe angefordert», erklärt Reidens Gemeindeschreiberin Margrit Bucher, «weil uns der Schutz der Mitarbeitenden äusserst wichtig ist.» Sämtliche Gemeindeangestellten – auch vom Werkhof und Lehrer – durchlaufen eine Schulung mit einem Coach. Bedrohungssituationen werden mit einem Schauspieler simuliert und analysiert. Derzeit wird ein Sicherheitshandbuch erarbeitet. Dieses soll den Mitarbeitern die Zuständigkeiten und Verhaltensweisen aufzeigen. Die Gemeindeangestellten sollen selbstbewusst auftreten.
Bauliche Massnahmen
Die Gemeinde Reiden hat aber auch bauliche Massnahmen vorgenommen: Bei der Sozialen Beratung werden Arbeitsplätze und Beratung strikt getrennt, so Gemeindeschreiberin Bucher. Im Sozialamt und der Bauverwaltung, welche zudem über von der Gemeindeverwaltung getrennte Eingänge verfügen, sind die Schalter verglast worden. Im nächsten Jahr wird auch im Schalterbereich der zentralen Dienste und der Finanzen der entsprechende Schritt vollzogen.
Gemäss Margrit Bucher ist es abgesehen vom erwähnten Ereignis mit Polizeieinsatz in der letzten Zeit nicht mehr zu ernsthafteren Vorfällen gekommen – auch nicht auf dem Sozialamt. Dennoch konstatiert Margrit Bucher: «Die Verhandlungen sind härter geworden, die Ansprüche der Gesellschaft haben sich verändert.» Die Bürger treten fordernder auf. «Wichtig ist es, jeden Kunden ernst zu nehmen und ihm Respekt entgegenzubringen.» Dies sei aber nicht immer so einfach bei Personen, die lauter werden, sagt die Gemeindeschreiberin. Es komme darauf an, dass fair und sachlich diskutiert werde. Und grundsätzlich sagt Gemeindeschreiberin Bucher: «Wer öffentlich tätig ist, muss kritikfähig sein.»
Deeskalieren
Bedrohungen und Beschimpfungen kommen auf der Gemeindeverwaltung in Dagmersellen sehr selten vor. «Zum Alltag gehört das nicht», so Fabian Kathriner, Gemeindeschreiber-Substitut. Dennoch haben auch die Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung, Werkdienst und Hauswarte letztes Jahr eine Schulung betreffend Deeskalation absolviert. «Dies passierte nicht aufgrund eines Ereignisses, sondern einfach, um vorbereitet zu sein», sagt Fabian Kathriner. In Dagmersellen hat man im Zuge der Umbauarbeiten am Gemeindehaus die neuen Büros der Sozialen Dienste entsprechend nach Rücksprache mit Experten konzipiert und Sicherheitsmassnahmen eingeplant.