
EHC Olten: Augen zu und durch
Räumen wir erst mal alle Vorbehalte aus dem Weg. Ja, die Coronakrise macht alles komplizierter. Krankheit, Quarantäne, Kurzarbeit, Lohnkürzung, Geisterspiele. Und so weiter. Das ist alles hochgradig mühsam. So macht Eishockey keinen Spass. Und trotzdem wird gespielt. Muss gespielt werden. Diese Problematik betrifft alle Mannschaften. Also müssen alle einen Weg finden, mit der Situation umzugehen. Leider gelingt das nicht allen gleich gut. Der EHC Olten, das steht spätestens nach dem dürftigen Auftritt in Visp (1:4) fest, gehört zu der zweiten Gruppe.
Corona hat mit dem, was die Oltner in dieser Saison über weite Strecken bisher gezeigt haben, aber wenig bis gar nichts zu tun. Der EHCO Jahrgang 20/21 weist Defizite auf, die man nicht an äusseren Einflüssen festmachen kann und darf. Diese Mannschaft lässt viele Fragen offen. Zu viele Fragen. Der EHC Olten ist mal wieder mitten in einer Krise gelandet. So, wie das Team zuletzt aufgetreten ist, ist es meilenweit davon entfernt, den eigenen Ansprüchen und jenen des Umfelds gerecht zu werden. Man sah sich im Kreis der erweiterten Swiss-League-Spitze. Und muss sich nun gegen die hinteren Tabellenregionen orientieren.
Waren die Erwartungen übertrieben? Vielleicht, aber nicht unbegründet. In einzelnen Partien hat der EHCO bewiesen, dass er, wenn er konzentriert, mutig und leidenschaftlich auftritt, über Potenzial verfügt. Schaut man sich die Mannschaft auf dem Papier an, dann ist sie im Tor und im Sturm tatsächlich überdurchschnittlich gut besetzt. Während die Goalies ihren Job – mit wenigen Ausnahmen – gut bis sehr gut erledigt haben, existieren in der Offensive unzählige Baustellen.
Der Blick auf die Skorerliste ist dabei vielsagend: Das Quartett Dion Knelsen, Garry Nunn, Leonardo Fuhrer und Jewgeni Schirjajew war bisher für 22 von 43 Toren verantwortlich – also mehr als die Hälfte. Diese vier Stürmer weisen auch als Einzige zweistellige Skorerpunkte auf. Nunn 18 (5 Tore), Knelsen 15 (7), Fuhrer und Schirjajew je 12 (je 5). Danach? Gähnende Leere. Designierte, offensive Leistungsträger wie Daniel Carbis, Diego Schwarzenbach oder Dominic Weder blieben bisher weit unter den Erwartungen. Diese fehlende Unterstützung aus der Tiefe des Kaders ist ein grosses Problem. Die Verantwortung lastet auf viel zu wenigen Schultern. Wenn diese Schultern nicht tragfähig sind, bricht das Konstrukt – wie zuletzt gesehen – krachend zusammen.
Dass die Abwehr nach den Abgängen von Anthony Rouiller, Daniel Eigenmann und Riccardo Sartori massiv an Qualität eingebüsst hat, war klar. Nun ist sie tatsächlich das grösste Sorgenkind der Mannschaft. Fast alle Verteidiger spielen in einer Rolle, die eine Schuhnummer zu gross ist. Die designierte Nummer eins, Philipp Rytz, hat mehr mit sich selbst zu kämpfen, ist meilenweit von seiner Bestform und somit von der Leaderrolle entfernt, die er eigentlich übernehmen sollte. Sonst fehlt schlicht und einfach die Klasse, besonders in spielerischer Hinsicht. Stattdessen ist die Überforderung mit Händen greifbar. Der Spielaufbau gelingt oft mehr schlecht als recht. Und im dysfunktionalen Powerplay fehlt ein Spielmacher an der blauen Linie an allen Ecken und Enden.
Man kann nun dem Sportchef Marc Grieder den Vorwurf machen, dass er nicht adäquat auf die hochkarätigen Abgänge in der Defensive reagiert hat. Ja, Nico Gurtner und Jens Nater sind bisher alles andere als Verstärkungen. Aber waren sie realistischerweise überhaupt mehr als brave Mitläufer? Hätte es da im Rahmen der beschränkten, finanziellen Möglichkeiten bessere Optionen gegeben? Vielleicht. Doch auch die bisherigen Verteidiger haben teilweise eher Rück- statt Fortschritte gemacht: Ein Spieler wie Janis Elsener, der das Potenzial zu einem spielstarken Blueliner hätte, ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Routinier Simon Lüthi ist eher Sicherheitsrisiko denn Stabilisator. Die anderen zeigen in etwa das, was man von ihnen erwarten kann. Aber unter dem Strich ist das punkto Defensive zu wenig für eine Mannschaft, die an der Spitze mitspielen wollte.
Womit wir beim Trainer angekommen sind: Ja, Fredrik Söderström ist in seiner zweiten Saison beim EHC Olten nicht zu beneiden. Und man wird den Eindruck nicht los, dass er, je länger, je ratloser wird. Der Schwede hat gefühlt schon so ziemlich alles versucht, um sein Team in Schwung zu bringen – vielleicht sogar zu viel. Aber er scheint ganz einfach mit seinen Ideen bei dieser Mannschaft nicht (mehr) durchzudringen. Seine Appelle an die Einstellung, die Leidenschaft und die Leadership-Qualitäten der Spieler verhallen eher früher als später ohne Effekt. Es werden immer wieder dieselben Fehler gemacht. Die Fortschritte im Powerplay tendieren gegen null. Das ist frustrierend.
Man muss also, ganz objektiv betrachtet, dem Trainerteam eine schlechte Note ausstellen. Gut möglich aber auch, dass Fredrik Söderström ein Opfer der Umstände ist. Dass Sportchef Marc Grieder auch als Assistent an der Bande steht, das durfte man von Anfang an kritisch sehen. Die finanzielle Not liess diese Lösung jedoch als praktikabel und vernünftig erscheinen. Doch es wird langsam aber sicher deutlich, dass dem Schweden ein Partner auf Augenhöhe fehlt. Ausserdem: Wer fühlt sich in seinem Job schon wohl, wenn man permanent den Chef an seiner Seite hat?
Angesichts der jüngsten sportlichen Entwicklung wird der Ruf nach einem Trainerwechsel schnell laut. Soll man das Kapitel Söderström in Olten nun vorzeitig beenden? Nein: Das macht in Anbetracht der speziellen Umstände dieser Saison keinen Sinn und würde den Klub nur Geld kosten, das er nicht hat oder anderweitig gescheiter investieren könnte. Zum Beispiel in die Verpflichtung eines «richtigen» Assistenten für Söderström. Denn könnte sich auch Marc Grieder auf sein Amt als Sportchef konzentrieren. Da gibt es genug zu tun: Nicht weniger als zwölf Spielerverträge laufen aus. Es hat also viel Personal, das beweisen muss, dass es in Olten, oder noch besser, in dieser Liga, eine Zukunft hat. Corona hin oder her. Die Zeit der Ausreden ist endgültig vorbei.