
Eigenmietwert: «Kanton muss endlich eine Härtefallregelung vorlegen»
Fast auf den Tag genau vor fünf Jahren hat der Grosse Rat nach einer richtigen Redeschlacht mit hauchdünner Mehrheit den Eigenmietwert erhöht. Dies, um wieder den gesetzlichen Erfordernissen zu genügen. Der Eigenmietwert muss mindestens 60 Prozent des Marktmietwerts betragen. Im Aargau war er zuvor stellenweise auf unter 55 Prozent gesunken. Die Erhöhung brachte vielen Wohneigentümern hohe Mehrkosten und löste viel Unmut aus.
Diesen bündelte damals Walter Richner aus Benzenschwil mit einem Komitee «Eigenmietwert-Nein» und einer Online-Petition gegen die Erhöhung. Das Komitee sammelte über 5000 Stimmen. Der Grosse Rat kippte seinen Beschluss aber nicht. So blieb nebst der Forderung auf Abschaffung des Eigenmietwerts (was nur auf Bundesebene entschieden werden kann) der Ruf nach einer Härtefallregelung. Davon profitieren sollen gerade weniger bemittelte Eigentümer (zum Beispiel Pensionierte mit tieferem Einkommen). Im Kanton Zürich gibt es so eine Regelung, die verhindern soll, dass sich jemand aufgrund eines hohen Eigenmietwerts vom Eigentum trennen muss.
Abschaffungsdebatte veränderte Ausgangslage
Es gelang, diese Idee in den Grossen Rat zu tragen. Dieser beauftragte im Frühling 2017 die Regierung mit einem Postulat, das Anliegen zu prüfen und über mögliche Varianten und deren Auswirkungen Bericht zu erstatten. Auf eine Anfrage Richners antwortete Finanzdirektor Markus Dieth im September 2017, die Prüfung des Anliegens sei nicht ganz einfach, weil viele Konstellationen und mögliche technische Umsetzungen zu beurteilen seien. Auch könne nicht ohne weiteres auf eine bestehende wie die Zürcher Lösung abgestellt werden, weil im Kanton Zürich mit dem Eigenmietwertniveau von 70 Prozent eine andere Ausgangslage bestehe.
«Fundamentalen Änderung der Wohneigentumsbesteuerung»
Zudem schaffe seines Erachtens die politische Diskussion auf Bundesebene eine gänzlich neue Situation: Zum ersten Mal bestehe zwischen den bisherigen Kontrahenten eine gemeinsame Basis, den Eigenmietwert und die damit verbundenen Steuerabzüge abzuschaffen. Die Möglichkeit sei damit intakt, schrieb Dieth damals, «dass es tatsächlich zu einer fundamentalen Änderung der Wohneigentumsbesteuerung kommt». Vor diesem Hintergrund erachte es der Regierungsrat als sinnvoll, den politischen Fortgang auf Bundesebene zu beobachten, um nicht Gesetzesrevisionen in die falsche Richtung durchzuführen.
In Bern geht nichts, Komitee wird ungeduldig
Die Aufbruchstimmung von 2017 ist allerdings längst verflogen, der Neuanlauf zur Abschaffung des Eigenmietwerts kommt in Bern nicht mehr richtig voran. Deshalb, aber auch mit Blick auf das jüngste Urteil des Verwaltungsgerichts, wonach der Aargau seine Eigenmietwertbesteuerung nach oben korrigieren muss, fordert Richner als Präsident des Komitees jetzt «mit Nachdruck, dass der Kanton endlich eine Härtefallregelung vorlegt».
Departement sieht kaum mehr Spielraum
Roland Hofer, Sprecher des Finanzdepartements, antwortet darauf: «Aufgrund des Gerichtsurteils und den verfassungs- und bundesrechtlichen Vorgaben ist es nicht möglich, eine Regelung einzuführen, welche zu einer Senkung des Eigenmietwerts unter 60 Prozent der Marktmiete führt.» Ausgedeutscht heisst dies, dass der Kanton jetzt kaum noch Spielraum zur Einführung einer Härtefallregelung sieht.
Regierung schuldet seit 2016 eine Antwort
Walter Richner sieht das ganz anders. Mehrere andere Kantone, darunter Zürich, hätten ja genau so eine Regelung. Richner: «Diese gibt es schon lange. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die dort illegal sein sollte, selbst wenn etwa in Zürich ein höherer Eigenmietwert gilt.» Laut Verfassung habe der Bund die Aufgabe, das Wohneigentum zu fördern, sagt Richner: «Ein hoher Eigenmietwert passt wie die Faust aufs Auge. Viele ältere Wohneigentümer mit tieferem Einkommen werden durch diese unzeitgemässe Steuer womöglich gedrängt, ihr Haus verkaufen oder die Hypothek erhöhen zu müssen. Ich bin mir sicher, auch der Aargau kann wie die Nachbarkantone Zürich und Luzern eine Härtefallregelung einführen. Dies ist eine Frage des politischen Willens.» Auch eine Antwort auf die Frage, wie viele Personen betroffen wären und um welche Beträge es gehen würde, sei die Regierung seit 2016 schuldig.