
Ein (st)reichhaltiges Konzerterlebnis in der Stadtkirche
Die 24-köpfige Formation ist dem Begriff «Streichorchester» in jeder Beziehung voll und ganz gerecht geworden. Natürlich ist das Repertoire begrenzt. Matthias Sager, seit einem Jahr Dirigent, hat eine kluge und geschickte Auswahl mit zwei neuzeitlichen Kompositionen, gefolgt von je einem romantischen und klassischen Beispiel, getroffen.
Das Konzert begann sinnigerweise mit der «Serenade for String Orchestra» von Norman Leyden (1917–2014). Er stand in Beziehung zur Big-Band-Grösse Glenn Miller. Die aufgeführte Serenade war jedoch von ganz anderer Natur, eben wie eine Abendmusik unter freiem Himmel sein soll. Leyden beschreibt in vier Sätzen unterschiedliche abendliche Stimmungsbilder.
Müheloser Stimmungs- und Stilwechsel
Zuerst im «Prelude» locker, fröhlich und heiter. Dann folgt in «Fuge» ein streng aufgebautes marschähnliches Gefüge. Das wird in «Nocturne» durch zärtliche, verträumte Melodik abgelöst. Dem schliesst sich der Morgen an, dargestellt im energischen «Cakewalk» (Kuchengang), der seinen Ursprung in den amerikanischen Südstaaten hat und eine Art Gesellschaftstanz ist. Diese ständigen Stimmungs- und Stilwechsel bewältigte das Orchester mühelos und sehr ausdrucksvoll, mit hörbarer Begeisterung. Eine Eigenschaft, die sich durch das ganze Konzert hindurch bemerkbar machte. Ein Laienorchester musiziert eben hörbar aus Liebe und Freude an der Musik.
Die nachfolgende «Sinfonietta» von Harald Genzmer (1909–2007) übernimmt in Form und Charakter das Vorbild einer grossen Sinfonie, aber in kürzeren vier Sätzen und weniger abgewandelten Motiven. Das Werk beginnt mit einem markanten, kraftvollen Auftakt des ganzen Orchesters. Der zweite Satz ist schneller und wirkt lebendig und bewegt. Dem folgt ein langsames und besinnliches «Andante» mit feierlichem Ausklang. Das Stück schliesst mit bewegten, fast stürmischen Passagen. Wieder überzeugte das Orchester durch präzise Einsätze und Harmonie im Zusammenspiel und Tempo. Das gipfelte in einer langen Passage, in der vom Bass über die Celli zu den Violinen alle punktgenau im Pizzicato die Saiten zupften.
Es gibt viele Sprachen auf dieser Welt und häufig verstehen sie einander nicht oder reden aneinander vorbei. Nur eine ist grenzübergreifend: jene der Musik.
Lieder ohne Worte und sprühendes Finale
Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847) drückte das so aus: «Nur das Lied kann dasselbe sagen, die gleichen Gefühle wecken.» Dies bestätigten die vier «Lieder ohne Worte» (Opus 102). Darin wird die ganze Gefühlsskala ausgebreitet, «freudvoll und leidvoll, gedankenvoll sein», wie es Goethe sagte. Das war schon beeindruckend, wie das Orchester diese Stimmungsbilder sensibel musikalisch wahrnehmbar machte, ständig zwischen «Andante», «Adagio», «Allegro» und «Presto» wechselnd.
Anders im Schlussspiel, dem «Divertimento in D-Dur» (Opus 136) von Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791). Darin herrscht einzig ungetrübte Freude und Fröhlichkeit, es gilt als Meisterwerk in dieser Beziehung. Mozart schrieb das Stück im Alter von 16 Jahren. Dirigent Matthias Sager mochte da nicht vorne stehen, griff zur Geige und spielte mit. Die Violinen führten feurig das Thema im «Allegro» an, gaben dem «Andante» den Schmelz beseelter Musik, und das «Presto» entfachte nochmals das Feuer lodernder Fröhlichkeit. Es war zu spüren, dass sich dieses Orchester ganz der Muse Musik verpflichtet fühlt und dies auch in die Wahrnehmung des Publikums zu übertragen vermag. Wahrlich: Der Stolz der Stadt ist ihr Orchester!