
Ein Stundenkilometer zu schnell: Autofahrer zahlt die 40 Franken Busse nicht und hält damit die Justiz auf Trab
An einem Sonntagmorgen im November des vergangenen Jahres war der im Schaffhauser Klettgau lebende Herr V. mit seinem Auto unterwegs im Aargau. Um 9.21 Uhr wurde sein Wagen auf der Breitenstrasse in Würenlingen geblitzt. Nicht, dass Herr V. etwa ein Raser wäre, nein, er hatte in jener Sekunde doch bloss 56 km/h auf dem Tacho.
Nach Abzug der Sicherheitsmarge war Herr V. also ein Stundenkilometer zu schnell unterwegs, was wahrlich jedem Automobilisten – Frauen eingeschlossen – im Verlauf seiner Fahrpraxis passieren kann. Zwar ist es ärgerlich, doch die resultierenden 40 Franken Busse lassen sich verschmerzen – was aber offenbar nicht für Herrn V. gilt.
Innert gesetzlicher Frist Einsprache erhoben
Jedenfalls hatte er die Busse nicht bezahlt worauf der Fall nach einer Karenzfrist von 30 Tagen, an die Staatsanwaltschaft überwiesen wurde. Dort hat man die Busse Ende Februar in einen Strafbefehl umgewandelt. Da Dienste der Staatsanwaltschaft nicht gratis sind, wurden Herrn V. zusätzlich zur Busse, 200 Franken Strafbefehlsgebühr sowie 31 Franken an Auslagen aufgebrummt. Ferner wurde Herr V. belehrt, dass «bei schuldhafter Nichtbezahlung an Stelle der Busse eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag» trete.
Der 59-Jährige erhob innert der gesetzlichen Frist von 10 Tagen Einsprache, womit die Geschwindigkeitsüberschreitung von 1 km/h zu einem Gerichtsfall wurde. Die Verhandlung vor Bezirksgericht Baden war auf den 23. April angesetzt, die Vorladung bekam der Beschuldigten eingeschrieben zugestellt, der Erhalt wurde von diesem
quittiert.
Beschuldigter erschien nicht zur Verhandlung
Als der Gerichtsschreiber am Verhandlungstag Herrn V. pünktlich in den Gerichtsraum bitten wollte, war Herr V. nicht anwesend. Einzelrichter Christian Bolleter zeigte sich geduldig: Weil der Beschuldigte aus dem Schaffhausischen nach Baden eine längere Anfahrt hatte, räumte er Herrn V. eine zusätzliche halbe Stunde ein. Als diese verstrichen war, packte der Richter seine Unterlagen zusammen.
«Vom Gesetz her ist das unentschuldigte Fernbleiben des Beschuldigten gleichzusetzen dem Rückzug von dessen Einsprache. Damit ist der Fall für uns erledigt», so Christian Bolleter. Allerdings mit Kostenfolge für Herrn V. «Wir hatten uns auf die Verhandlung vorbereitet und den Termin reserviert, was zu Lasten von Herrn V. mit zwischen 200 und 300 Franken zu Buche schlägt.» Summa summarum gilt es nun bei Herrn V. Schulden von insgesamt rund 500 Franken einzutreiben.
Angesichts der chronisch überlasteten Staatsanwaltschaften und Gerichten ist dieser Fall ein anschauliches Beispiel dafür, wie Polizei und Justitia unsinnig auf Trab gehalten werden.