
«Eine Katastrophe»: Nach dem Chefarzt geht auch die Klinikleitung der Kinder- und Jugendpsychiatrie
Die Kündigung kam überraschend. Nach weniger als einem Jahr als Chefarzt verliess Stephan Kupferschmid im August 2017 die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Psychiatrischen Dienste Aargau (PDAG). Und seine Kündigung sollte nicht die einzige bleiben.
In einem internen Schreiben vom 1. März, das der AZ vorliegt, informiert CEO Jean-François Andrey über «Kündigungen in der Klinikleitung Kinder- und Jugendpsychiatrie». Demnach haben sich drei Personen des Leitungsteams «aus unterschiedlichen persönlichen Gründen» entschlossen, die PDAG zu verlassen.
Nach dem Chefarzt geht nun auch dessen Stellvertreter Raphael Eisenring. Er hatte nach Kupferschmids Weggang die klinische Gesamtverantwortung für die Kinder- und Jugendpsychiatrie übernommen.
Ausserdem werden Süsette Rusterholz, Leiterin Zentrale Anmeldung, und Ariane Hansen-Brown, Leiterin Zentrum stationär, die PDAG im Sommer verlassen. Etwas früher geht Kathrin Scheid, Leiterin Zentrum ambulant.
Sie habe sich bereits im Januar zu einem Austritt entschieden, heisst es im Schreiben. Da krankheitsbedingte Ausfälle in der Klinik hinzukämen, werde CEO Andrey vorübergehend die Co-Leitung bei der organisatorisch-administrativen Führung der Kinder- und Jugendpsychiatrie unterstützen.
Die Weggänge an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie haben sich in Fachkreisen noch nicht herumgesprochen. Die angefragten Psychiaterinnen und Psychiater erfahren von der AZ davon.
Ulrich Fischer, pensionierter Psychiater und ehemaliger Präsident der Fachärztinnen und Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, sagt: «Für die Versorgung psychisch kranker Kinder und Jugendlicher im Aargau sind die Kündigungen eine Katastrophe.»
In der Regel seien solche Stellen schwer zu besetzen, aber relevant für die Versorgung. Carina Siegwart, Präsidentin der Aargauischen Gesellschaft für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, möchte sich momentan nicht zu den Kündigungen bei den PDAG äussern.
Sie hält allgemein fest, dass es im Aargau heute unabhängig davon schwierig sei, für therapiebedürftige Kinder einen Therapieplatz zu finden. «Das betrifft aber den ambulanten Bereich und beruht auf einem Mangel an Kinderpsychiatern im Kanton.»
Versorgung ist gesichert
Während die Psychiater eher beunruhigt sind, schreiben die PDAG, der Versorgungsauftrag könne dank des Einsatzes weiterer kompetenter Fachpersonen der Kinder- und Jugendpsychiatrie nach wie vor erfüllt werden. CEO Jean-François Andrey sagt gegenüber der AZ: «Die Versorgung ist gesichert und wird nicht beeinträchtigt.»
Als Unternehmen mit 1300 Mitarbeitenden seien die PDAG «selbstverständlich jederzeit in der Lage, die medizinische Versorgung aufrechtzuhalten». Die Personen, die gekündigt hätten, seien noch bis im Sommer/Spätsommer bei den PDAG tätig, und daneben gebe es weitere kompetente Fachpersonen. Ausserdem sei die Suche nach neuen Fachpersonen eingeleitet.
Zu den möglichen Gründen für die Kündigungen sagt Andrey: «Im November 2016 wurden im Neubau für Kinder und Jugendliche vier verschiedene Standorte und Kulturen zusammengeführt, neue Behandlungs- und Schulformen gewählt und umgesetzt, die Anzahl Behandlungsplätze als auch die Anzahl Mitarbeitende um 30 Prozent erhöht.
Das bringt grosse Veränderungen mit sich und es ist nicht aussergewöhnlich, dass sich in solchen anspruchsvollen Phasen gewisse Personen zu einem Wechsel entscheiden», so der CEO. Zudem hätten die «schmerzlichen Tarifeingriffe» des Bundesrates erhebliche finanzielle Auswirkungen für die Klinik.
«Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten unsere Versorgungsstrukturen überprüfen und anschliessend notwendige Anpassungen in den Prozessen vornehmen», sagt Andrey.
Doch auch diese Massnahmen würden die Versorgung von Kindern und Jugendlichen im Kanton nicht gefährden. «Sie sind ein normaler Prozess in der Entwicklung einer Organisation, welche die Tarife für ihre Angebote nicht selbst bestimmen kann.»