
Eine Tour de Suisse mit «cantus firmus»
«Das Ziel sind nicht bekannte Destinationen, sondern eher solche, die im Verborgenen einen Besuch erwarten und verdienen», erklärte sinngemäss Dirigent Adrian Zinniker einleitend zum cantus-firmus-Konzert. Er muss gründlich rekognosziert haben und auf Lieder gestossen sein, die ein Bild der Chorliteratur von der Renaissance bis zur Gegenwart vermitteln, und dies auch noch in allen vier Landessprachen. «cantus firmus» verfügt über die Flexibilität sowie die musikalischen und sprachlichen Ressourcen, um solchen Ansprüchen souverän zu genügen, und Adrian Zinniker weiss, wie man sie im Chor abholt und zur Wirkung bringt. Dieses einzigartige aufeinander Zu- und Eingehen war die eigentliche Qualität des Konzertes und verhalf zu einem faszinierenden Hörerlebnis. Den Anfang machte «Das Geläut zu Speyer» von Ludwig Senfl (1486–1542). Es war ein Start, der höchste Konzentration in der Vernetzung der einzelnen Stimmlagen verlangte, um den Rhythmus in diesem Hin- und Herschwingen der Glocken auszudrücken. Das nachfolgende «Ach Elslein, liebes Elselein» des gleichen Komponisten liess erkennen, dass mit gleichem Geschick auch liebliche Gefühle zu Gehör gebracht werden können. Der Aargauer Komponist Theodor Fröhlich (1803–1836) vertonte mit «Gesang der Geister über den Wassern» einen Klassiker von Goethe, worin der Chor mit auf- und absteigenden Tonfolgen auslegte, wie das Wasser vom Himmel kommt, zum Himmel steigt und wieder nieder zur Erde muss, ewig wechselnd.
Ausführlich befasste sich das Programm mit dem Schweizer Komponisten Othmar Schoeck (1886–1957). Das geschah mit dem andächtigen Lied «Agnes», dem heiter-unbeschwerten «Ein Vöglein singt im Walde» und einem verschachtelten Kanon mit Klavierbegleitung. Andrea (Violine) und Matthias Kipfer (Klavier) stellten sodann Schoecks opus 16 vor. Ihre Besonderheit sind die Tempowechsel zwischen ruhigen und bewegten Partien. Es war verblüffend, wie synchron diese Bewegungen im Zusammenspiel stattfanden.
Im zweiten Teil des Programms wurde «cantus firmus» fündig im landesweiten Fächer von Schweizer Chorwerken. Darin waren vertreten Oreste Zanetti (1922–2006) mit «Spazzacamin», Robert Mermoud (1912–2005, «Si l’on dardait»), Roger Vuataz (1898–1988, «La Vieille»), Hermann Suter (1870–1926, «Schall der Nacht»), Tumasch Dolf (1889–1963, «Allas Steilas) und Benedetg Dolf (1918–1989, «Dohlen»). Zum Schluss erklangen in «Là-haut sur la montagne» (Pierre Kaelin) eine Sammlung bekannter Schweizer Chorlieder wie «Vavena gli occhi neri, neri, neri», «Bionda, bella bionda», «Vo Luzern gäge Weggis zue» und anderer Kostproben aus allen Landesgegenden. Erstaunlich, wie die Sängerinnen und Sänger von einer Mentalität in die andere umsteigen konnten.