
Elektro-Rally quer durch den Aargau – ein «Döschwo» war der Star – GALERIE
Motorengeheul, vibrierender Asphalt, benzingeschwängerte Luft: Etwa so stellt sich der Motorsportfan eine klassische Rallye vor. Doch bei der Wave (World Advanced Vehicle Expedition) geht es um alles andere als das. Die grösste Elektromobilitäts-Rallye der Welt ging dieses Jahr in der Schweiz mit 85 verschiedenen Fahrzeugen an den Start, die allesamt zu 100 Prozent mit Strom angetrieben werden. Darunter nicht etwa nur Elektroautos und E-Bikes, sondern auch Motorräder, ein 16-Tonnen-Lastwagen, ein Postauto und zahlreiche Eigenbauten.
Für ihre diesjährige Ausgabe machte die Wave in der Schweiz an 55 Destinationen Halt, überquerte vier Alpenpässe, die Fahrzeuge meisterten eine Höhendifferenz von über 8000 Metern. An der achttägigen Tour nahmen Teams aus zehn Nationen teil. Und das alles nicht etwa für Ruhm und Ehre, sondern für die Mission, die letzten Zweifler davon zu überzeugen, dass E-Mobilität längst alltagstauglich geworden ist.
Alle Augen auf die Elektro-Ente
Samstagmorgen, kurz vor 9 Uhr: Lautlos rollen die Elektromobile eines nach dem anderen auf den Schulhausplatz der Freiämter Gemeinde Mühlau. Mit dabei ist auch Louis Palmer, Umweltaktivist und Vater der Wave Rallye. Vor zehn Jahren umrundete der Luzerner mit seinem «Solartaxi» – einem Auto, das seine Energie rein aus Photovol-taikmodulen erhielt – die Welt. Nach über 54 000 Kilometern und 40 durchquerten Ländern erhielt er von der UNO den «Champion of the Earth Award» verliehen.
Die Motivation für sein unermüdliches Engagement schöpft Palmer seit je aus dem fortschreitenden Klimawandel. «Alleine kann ich die Welt nicht verändern», erklärt er gegenüber der AZ und fügt an: «Aber ich kann Leute inspirieren, etwas zu tun.» Mit diesem Gedanken ebnete er den Weg für die Wave, die nun mit einer letzten Tour durch den Aargau bereits zum achten Mal endet.
Zwischen vielen Serien-Elektrofahrzeugen stechen in Mühlau insbesondere die Eigenbauten der Rallye-Teilnehmer hervor. Ein umgebauter Audi A8 mit 500 Kilometern Reichweite oder der legendäre VW-Bus T2, der nach dem Umbau nicht mehr auf den Namen «Bully», sondern «Bull-E» hört.
Die meisten Blicke zieht jedoch der grüne Citroën 2CV – besser bekannt als «Ente» oder «Döschwo» – auf sich. Er gehört Hans Jakob Sommerauer, einem Elektroingenieur bei einer Zürcher Firma für Lüftungssysteme. Auf die Frage, wie man auf die Idee kommen kann, ausgerechnet einen solchen Wagen zu einem Elektroauto umzubauen, erklärt Sommerauer: «Die Ente bietet sich dafür geradezu an.» Sie habe ein ideales Gewicht, und die Aufhängepunkte des alten Verbrennungsmotors seien perfekt für den Einbau eines Elektromotors geeignet. In seinen Elektro-«Döschwo» hat Sommerauer nicht nur unzählige Arbeitsstunden, sondern auch gut 15 000 Franken investiert.
Teilnehmer verordnet Testfahrt
Und dass sich die Investition gelohnt hat, beweist der Zürcher auf dem Weg zum nächsten Stopp – dem Schloss Hallwyl. Zwar quietscht und knarrt die alte Karosse ordentlich, als Sommerauer die Gänge einlegt und aufs Gaspedal tritt.
Doch der Schub, den der Elektromotor Marke Eigenbau leistet, ist phänomenal. Ohne Kraftverlust und Abgasschwaden jagt die grüne Ente über die Freiämter Strassen und trifft kurz darauf sicher beim Wasserschloss am Hallwilersee ein, wo die grosse Elektro-Show weitergeht.
Dort zeigt auch Hans Soltermann, Inhaber einer Firma für Solarlösungen, seinen Opel Ampera E mit rund 500 Kilometern Reichweite. Als er hört, dass der AZ-Redaktor noch nie am Steuer eines Elektrofahrzeugs sass, kann er es kaum glauben. «Man kann nicht über Elektroautos schreiben, ohne je eines erlebt zu haben», ruft er und verordnet sogleich eine ausgiebige Testfahrt, die auch den Redaktor von der Technologie überzeugt.
«Noch immer», sagt Soltermann während der Fahrt, «wird E-Mobilität als utopisch angesehen. Dabei ist es heute schon möglich, Elektroautos mit hohen Reichweiten zu günstigen Preisen zu kaufen.» Er habe vor fünf Jahren zum letzten Mal eine Tankfüllung Benzin gekauft und den Wechsel zu Strom seither nie bereut.
Es sind Worte, die man an jenem Samstag oft von Wave-Teilnehmern hört. Und als der surrende Autocorso am Nachmittag – nach über 1300 Kilometern durch die Schweiz – sein Ziel bei der Umwelt-Arena in Spreitenbach erreicht, gibt man ihnen recht.