End of Silence: Leech blasen die Corona-Stille weg

In der Schüür Luzern fand am Samstag das wohl erste grössere Konzert dieser Art in der Schweiz nach dem Coronalockdown statt. Es war wie immer – und doch ganz anders. 

Gleich beim Eintreffen mussten alle Konzertbesucher Namen, Adresse und Handynummer auf ein A4-Formular notieren. Das Publikum wurde angehalten, sich den Sektor (A bis E) im Konzertraum zu merken, in dem es sich aufhielt, und auf die Abstandsempfehlungen zu achten. So einfach war das nicht. Einmal drin, standen die Besucher dicht vor der Bühne und nach hinten bis zum Mischpult, wie es eben an einem Konzert die Regel ist. Deshalb nutzte die Schüür den Spielraum, die Adresse aller Besucher zu hinterlegen, um die Rückverfolgung garantieren zu können. Denn auch mit dieser Option muss noch gerechnet werden: «Wir weisen darauf hin, dass die Möglichkeit besteht, aufgrund des Konzertbesuches zwei Wochen in Quarantäne gehen zu müssen», war zu lesen. «Das würde mir gerade noch fehlen», meint ein Besucher, der demnächst zwei Wochen in die Ferien fährt.

Nach zwei Monaten wieder fantastischen Sound

Anders als gewohnt beginnt das Konzert pünktlich um 20.05 Uhr und kann auch per Livestream auf Youtube mitverfolgt werden. Der Anlass ist ausverkauft. Inklusive Band, Personal und Gäste sind das 300 Personen. Die Atmosphäre ist von Erwartung geladen. Man trifft Leute, die hungrig sind, endlich wieder mal einen deftigen Livegig zu erleben. Und jene, die sich mit der Coronaruhe angefreundet haben und jetzt mehr aus Gwunder erschienen sind. Oder wegen der Band. Leech haben ihren Underground-Status in den letzten
20 Jahren erfolgreich transformiert. Sie sind jetzt eine kultige Lieblingsband und machen schon fast Stadionrock. Die Band haut mächtig rein, mit Gitarren, Synthesizern, Bass und Schlagzeug. Die Scheinwerferkegel tanzen, die Musiker werden zu Silhouetten im Bühnenrauch, später blitzen Stroboskoplichter zum Puls der Musik. Das Publikum ist elektrisiert, es wird gejohlt, Hände gehen in die Luft, die Bässe vibrieren im Körper. Eine hymnische Dröhnung schwirrt über den Köpfen, und man überlegt sich schon, ob die Schüür eine neue Soundanlage eingerichtet habe. Aber Schüür-Chef Marco Liembd lächelt: «Das klingt hier immer so. Es hat in den letzten zwei Monaten einfach niemand eine solch gute Stereoanlage zu Hause gehabt.»

Leech spielen mit Zugaben knapp zwei Stunden. Nach dem Top-Auftakt und einem eher abgeflauten Mittelteil steigert sich die Band im letzten Drittel mit harten Riffs, repetitiver Intensität und wummerndem Sound ins Finale. «Es gibt für mich keine Band, die besser für diesen Auftakt gepasst hätte. Livemusik, intensiv und emotional», freut sich Silvio Zeder, Programmleiter Schüür. Und Liembd findet, die Schüür habe ein Statement gesetzt. «Das ist ein wichtiges Signal für Livekultur, die ganze Branche, das Publikum. So muss es weitergehen.» Jetzt bleibt die Hoffnung, dass jene, die sich krank fühlten, auch wirklich zu Hause geblieben sind.