Endlich dürfen die Clubs wieder öffnen: Steigt am Wochenende die Party des Jahres im Aargau?

Der Bass durchströmt den Körper, der sich rhythmisch zur Musik bewegt. Menschen drängen sich aneinander. Es ist so laut, dass man sein Gegenüber nur versteht, wenn man sich anschreit. Will man an die Bar, muss man sich an Rücken, Köpfen und Schultern von Menschen vorbeidrücken, die lauthals mitsingen. Schweiss und Aerosole liegen in der Luft.

Solche Szenen scheinen wie aus einer anderen Zeit. Viele Clubs in der Schweiz sind mittlerweile im 16. Monat geschlossen. Auch in den letzten Wochen, als vieles wieder in Richtung Normalität zeigte und Restaurant und Bars wieder öffnen durften, blieb Tanzen verboten. Nun ist auch dieses Verbot gefallen.

Feiern ohne Maske – aber nur mit Covid-Zertifikat

An der Pressekonferenz vom Mittwoch verkündete der Bundesrat die frohe Botschaft für das Nachtleben: Ab diesem Samstag, 26. Juni, dürfen die Clubs wieder öffnen. Ohne Personenbeschränkung, Maskenpflicht und Kontaktdatenerfassung. Allerdings müssen die Besucher ein Covid-Zertifikat vorzeigen: Hinein kommen also nur die drei G: Geimpfte, Genesene oder Getestete.

Ursprünglich plante der Bundesrat, dass ab dem 28. Juni trotz Zertifikat nur 250 Personen in Diskotheken zugelassen sein sollten. Mit diesem Vorschlag erntete er grosse Kritik aus dem Nachtleben. Alexander Bücheli, Sprecher der Schweizer Bar- und Clubkommission, sagte es so: «Was der Bundesrat will, würde im Verkehr bedeuten, dass der Autofahrer neben dem Gurt noch einen Velohelm tragen muss.»

Nun verzichtet der Bundesrat auf den Velohelm. Doch auch der Gurt alias Covid-Zertifikat ist einigen Clubbetreibern ein Dorn im Auge.

Dano Dreyer, «Löschwasserbecken» Baden: «Ich hätte mir gewünscht, dass sie mit der Öffnung noch bis im August warten»

So etwa Dano Dreyer, Inhaber des Clubs Löschwasserbecken in Baden. «Mit der neuen Regelung bin ich abhängig von der Impfbereitschaft der Leute», sagt er. Und gerade bei seiner Zielgruppe, den Jungen, sei die Impfskepsis momentan noch besonders hoch. Er zeigt sich enttäuscht über die neuesten Beschlüsse des Bundes.

Am Zertifikat stört ihn am meisten, dass es zu einem Zeitpunkt eingeführt wird, zu dem noch nicht alle, die sich impfen lassen wollen, auch die Möglichkeit dazu hatten. «Die Politik hat immer versichert, Privilegien würden erst eingeführt werden, wenn alle Zugang zur Impfung hatten. Das ist jetzt nicht der Fall.»

Doch nicht nur Geimpfte dürfen in den Club, auch negativ Getestete können vom Türsteher reingewunken werden. Dreyer hält wenig von dieser Möglichkeit:

Dano Dreyer vom «Löschwasserbecken» in Baden.

Dano Dreyer vom «Löschwasserbecken» in Baden.

Bild: Rahel Künzler
«Ich glaube nicht, dass sich viele Junge extra wegen einem Partywochenende testen lassen werden. Das Nachtleben lebt von der Spontanität.»

Wenn man dann nicht spontan in einen Club könne, würden wohl viele Junge auf eine Bar im Freien ausweichen, sagt der Inhaber des Löschwasserbeckens. Besonders bei hohen Temperaturen, wenn ein Club sowieso nicht die erste Wahl sei. Die grosse Frage sei dann, ob das Nachtleben noch finanzielle Unterstützung erhalte, wenn sie zwar aufmachen dürften, die Leute wegen der Bestimmungen aber weiterhin fernblieben.

Michael Ganz, Boiler Club Aarau: «Das Bedürfnis der Menschen ist da, das haben wir auch letztes Jahr im Juni gesehen»

Michael Ganz vom Boiler Club in Aarau zeigt sich zuversichtlich, dass die Leute wieder kommen. «Das Bedürfnis der Menschen ist da, das haben wir auch letztes Jahr im Juni gesehen.» Er glaubt, dass sich viele Junge impfen lassen oder sich für einen Clubbesuch testen lassen werden. «Die andere Frage ist dann, ob im Kanton überhaupt genügend Testkapazitäten vorhanden sind.»

Das Zertifikat ist bei einem negativen PCR-Test 72 Stunden ab Testzeitpunkt gültig, bei einem Antigen-Schnelltest 24 Stunden. Bei einem PCR-Test im Aargau dauert es in der Regel 24 bis 48 Stunden, bis man das Testresultat hat. Würde man sich also für ein ganzes Partywochenende testen lassen wollen, würde ein einmaliger PCR-Test nicht in jedem Fall reichen. Und zweimal testen wäre für viele dann wohl tatsächlich zu aufwendig.

Aktuell seien im Kanton Aargau 70’000 Covid-Zertifikate ausgestellt worden, schreibt das Departement Gesundheit und Soziales auf Anfrage der AZ. Angaben zum Alter der Empfänger können nicht gemacht werden.

Grundsätzlich steht Ganz vom Club Boiler dem Covid-Zertifikat weniger kritisch gegenüber als Dreyer:

«Es ist ein Weg, dass wir überhaupt wieder etwas machen können. Wer sich nicht impfen oder testen will, der trägt die Konsequenzen.»

Leute, die sich nicht impfen lassen wollen, sollen nicht diskriminiert werden

Das Kiff in Aarau beginnt auch in einem normalen Jahr erst im Herbst mit Veranstaltungen. Dennoch zeigt sich Pascale Diggelmann, die für die Kommunikation beim Event- und Konzertlokal verantwortlich ist, erfreut über die Lockerungen: «Es scheint so, als könne man langsam wieder einigermassen normal eine Veranstaltung durchführen.»

Für sie ist es vor allem wichtig, dass auch negativ Getestete das Zertifikat erhalten: «So werden diejenigen, die keine Lust haben, sich impfen zu lassen, nicht ausgeschlossen.»

Im letzten Herbst mussten die Besucher im Kiff noch Masken tragen.

Im letzten Herbst mussten die Besucher im Kiff noch Masken tragen.

Bild: Michael Wuertenberg

Kaum abwarten konnte die Pressekonferenz Marcel Giger vom Utopia Club in Aarau: «Ich hing an den Lippen von Alain Berset.» Er zeigt sich zufrieden: Das «Utopia» ist ein kleiner Club, maximal können dort etwa 250 Leute tanzen. «Die Personenbeschränkung war für uns gar nicht so wichtig, blöd wäre es gewesen, wenn wir nur die Hälfte der Kapazitätsgrenze hätten ausnutzen können.»

Beginnt am Wochenende die grosse Party?

Viele haben den Moment herbeigesehnt, wenn das Nachtleben aus dem Coronaschlaf erwacht. Auch Leute, die vor Corona lange nicht mehr im Ausgang waren, sehnten sich plötzlich nach dem schummrigen Licht und wild tanzenden Leuten. Jetzt ist das plötzlich ab Samstag wieder möglich – theoretisch. Denn die befragten Inhaber werden ihre Clubs in Aarau und Baden am Samstag voraussichtlich noch nicht öffnen.

Das «Utopia» in Aarau ist auch in einem normalen Jahr im Sommer geschlossen: «Wenn es so warm ist draussen, dann kommen die Leute nicht zu uns», sagt Marcel Giger. Nebst den warmen Temperaturen würde dann auch noch das Zertifikat so manchen Gast abschrecken. Das «Utopia» wird deshalb erst im September wieder öffnen.

Rein logistisch ist eine Öffnung dieses Wochenende sehr schwierig

Auch das Kiff organisiert im Sommer eigentlich keine Veranstaltungen. Wegen der besonderen Lage überlegen die Betreiber allerdings, ausnahmsweise ein paar kleinere Events auf die Beine zu stellen. Für den Samstag wird das aber sicher nicht reichen.

Anders sieht es beim «Löschwasserbecken» in Baden aus. Dano Dreyer würde gerne wieder öffnen. Allerdings wolle er zuerst die Fühler ausstrecken, ob die Nachfrage bei den Gästen überhaupt vorhanden sei:

«Wir starten eine Umfrage in den sozialen Medien, um mal die Temperatur zu messen.»

Noch nicht ganz entschieden hat sich Michael Ganz vom «Boiler» in Aarau: «Samstag ist schon etwas kurzfristig. Rein logistisch wäre es sehr schwierig, den Club so schnell wieder zu öffnen.» Auch wenn es noch nicht definitiv feststehe, sei eine Türöffnung dieses Wochenende eher unwahrscheinlich.