
Energie aus Müll, Dünger aus Klärschlamm: Das sind die ehrgeizigen Enphor-Pläne
Serie
Im Juni hat der Vorstand des regionalen Entsorgungsverbandes Erzo die Pläne für das Projekt Enphor vorgestellt. Bis zu 400 Millionen Franken könnte der Bau einer neuen Kehrichtverwertungs- und Phosphorrecyclinganlage sowie eines Fernwärmenetzes kosten. Was sind die Hintergründe des Mega-Projekts? Wie könnte eine neue KVA aussehen? Wie geht es weiter? Das ZT beleuchtet in der Serie die Facetten von Enphor.
Ein «enkeltaugliches Projekt» nennen die Verantwortlichen des regionalen Entsorgungsverbandes Erzo ihr Vorhaben namens Enphor, das sie vor einigen Wochen vorgestellt haben. Zum einen prüft die Erzo den Bau einer neuen Kehrichtverwertungsanlage (KVA). Zum anderen soll aus dem Klärschlamm des Abwassers Dünger in Form von Phosphor gewonnen werden; der verbleibende Sand würde via Zementindustrie beim Häuserbau verwendet. Der wichtigste Pfeiler wäre die Produktion von Energie in Form von Fernwärme. Das klingt alles technisch und unspektakulär, ist aber angesichts der notwendigen Investitionen aufsehenerregend: Bis zu 400 Millionen Franken könnten notwendig sein, um die Pläne umzusetzen.
Um zu verstehen, wo die Erzo hinwill, muss man die Ausgangslage kennen. Heute verwertet sie 65 000 Tonnen Abfall pro Jahr, davon rund 11 000 Tonnen Haushaltsmüll; sie reinigt 6,5 Millionen Kubikmeter Abwasser, produziert 44 Gigawattstunden Strom und 21 Gigawattstunden Wärme. Diese Aufgaben bleiben, neue kommen dazu. Spätestens ab 2026 muss Phosphor aus Abfällen wie Klärschlamm zurückgewonnen werden – so sieht es ein entsprechendes Gesetz vor.
Müll und Abwasser als Input, Energie als Output
Mit Enphor wollen die Erzo-Chefs dies möglich machen – und nicht nur das. Der zentrale Begriff lautet Kreislaufwirtschaft: «Kreislaufwirtschaft hilft uns, den Ressourcenverschleiss zu stoppen und trägt dazu bei, den Klimawandel zu verlangsamen», sagt der für die Kommunikation zuständige Erzo-Vize Bruno Aecherli. Konkret hiesse das: Die Erzo reinigt auch in den nächsten Jahrzehnten das Abwasser aus der Region und verwertet den regionalen Haushaltsmüll sowie Industrieabfälle. Das ist quasi der Input. Auf der Output-Seite soll Dünger für Hunderttausende Tonnen Kartoffeln und Getreide rausspringen, Fernwärme für 10 000 Haushalte und Strom für 22 000 Haushalte. Auch rund 10 000 Tonnen Sand sollen anfallen – Abnehmerin wäre die Zementindustrie.
Das Projekt ist auch organisatorisch anspruchsvoll. Im Raum steht die Gründung von drei Organisationseinheiten:
Abwasserreinigungsanlage (ARA) Region Zofingen: Eigentümer wären die sechs Gemeinden Brittnau, Oftringen, Reiden, Strengelbach, Wikon und Zofingen. Die ARA würde auch künftig Abwasser reinigen, wobei Klärschlamm entsteht.
KVA Region Zofingen AG: Diese neue Einheit würden aus den heutigen elf Erzo-Gemeinden plus strategischen Partnern bestehen. Mit möglichen Partnern ist die Erzo bereits im Gespräch, weitere Informationen dazu soll es im August geben. Die neue AG würde Wertstoffe verwerten, Energie produzieren und Phosphor aus dem Klärschlamm der ARA rückgewinnen. Dazu wären Investitionen von bis zu 300 Millionen Franken notwendig: 180 bis 200 Millionen für die die neue Verbrennungs- und Verwertungsanlage, 70 bis 100 Millionen für die Phosphor-Rückgewinnung.
Die dritte Einheit würde sich um die Verteilung der Wärme und des Stroms kümmern – und dafür weitere 50 bis 100 Millionen Franken investieren. Mit in die Planungen einbezogen wurden diesbezüglich die vier regionalen Energiedienstleister tba Energie AG, EW Oftringen AG, EW Rothrist AG und StWZ Energie AG. Auch hier sind im August weitere Informationen angekündigt.
Wie geht es nun in den nächsten Monaten weiter? Der Erzo-Vorstand hat einen Kredit von 350 000 Franken gesprochen, um zu prüfen, ob und wie das ehrgeizige Vorhaben umgesetzt werden kann. Die Machbarkeitsstudie soll Antworten auf alle zentralen Fragen liefern: Wie entwickelt sich die Abfallsituation – national und regional? Liesse sich eine solche Anlage wirklich wirtschaftlich – sprich gewinnbringend – betreiben? Wie sähe ein möglicher Zeitplan aus? Was laut Aecherli bereits klar ist: Ein Neubau wäre bei laufendem Betrieb möglich. Definitive Antworten liefern dazu soll ebenfalls die Machbarkeitsstudie, die spätestens im zweiten Quartal 2022 vorliegen soll. «Es ist wichtig, dass wir dieses Generationenprojekt gut vorbereiten, um einen Startschuss für das 400-Millionen-Vorhaben nicht zum Rohrkrepierer werden zu lassen», sagt Aecherli.
Zur Illustration (oben)
Fernwärme Wird das Projekt Enphor umgesetzt, könnten 10 000 Haushalte mit Fernwärme geheizt werden.
Abwasser Insgesamt werden heute 6,5 Millionen Kubikmeter Wasser gereinigt. Das entspricht 2000 Zofinger Badis – das wäre auch künftig so.
Dünger Der produzierte Dünger entspräche einem Viertel des derzeitigen Importes – genug für 110 000 Tonnen Kartoffeln und 230 000 Tonnen Getreide.
Sand Bei der Umsetzung des Projekts entstünden 12 000 Tonnen Sand; dieser könnte zum Bau von Häusern verwendet werden.
Strom Es würden 100 Gigawattstunden Strom für 22 000 Haushalte produziert – und gleich-zeitig 9000 Tonnen CO2 eingespart.