Energiehunger, Kernkraft und Klimawandel

Das Kernkraftwerk Mühleberg ist vom Netz. Mit seiner Leistung von 373 Megawatt (MW) hat es fünf Prozent des Schweizer Strombedarfs abgedeckt – sein Wegfall ist verkraftbar. Wie aber jene 50 Prozent ersetzen, welche alle KKW im Winter zur Stromversorgung beitragen? Das funktioniert nur, wenn die Schweiz voll in den europäischen Strommarkt integriert ist. Dies bedingt die Weiterführung der bilateralen Verträge – inklusive Abschluss des Rahmenabkommens. Und beim Energieimport Strom aus fossiler oder nuklearer Produktion auszuschliessen – wie das die Grünen wollen – dürfte an der Wirklichkeit scheitern. Fakt ist, dass Deutschland zwar aus der Kernenergie – ihr Anteil am Strommix beträgt 23,3 Prozent – aussteigen will, aber 43,6 Prozent seiner elektrischen Energie aus Kohle und 13 Prozent aus Erdgas bezieht. Wasserkraft? 3 Prozent. Frankreich: 72,7 Prozent Kernenergie, 11 Prozent Wasserkraft.

Nicht nur in diesen Ländern, sondern weltweit steigt die Nachfrage nach Elektrizität. Strom ist eine Schlüsselenergie, wenn es um Lebensqualität und Wohlstand geht. Grösster Stromproduzent der Welt ist China. 78 Prozent des chinesischen Stroms stammt aus Kohle. Innert Jahresfrist wurden in China neue Kohlekraftwerke mit einer Kapazität von 42,9 GW in Betrieb genommen – das entspricht zwölf Mal der Leistung des KKW Mühleberg. Wird dieser Weg weiterbeschritten, können wir der Klimakatastrophe nicht entgehen. Immer mehr Wissenschaftler setzen deshalb wieder auf die Kernenergie und neue Reaktortechnologie.

Die zivile Nutzung der Kernenergie hat – allen Unkenrufen zum Trotz – nichts mit einer Atombombe zu tun. Der heute verwendete Brennstoff jedoch schon. Der Grund dafür ist so brutal wie einfach. Die Atombombe funktioniert nur mit Uran 235 oder Plutonium. Letzteres musste in Uran-Reaktoren erbrütet werden. Das schloss Thorium als Kernbrennstoff aus.

Gegenwärtig verfolgen vor allem Indien und China langfristig angelegte Reaktor-Entwicklungsprogramme zur Nutzung der enormen Energieressourcen, die in Thorium stecken. Unter den Projekten sticht der Thorium-Flüssigsalzreaktor hervor. Er weist eine Vielzahl von Vorteilen auf. Ein zentraler ist sein inhärent sicherer Betrieb. Damit ist gemeint, dass die Kettenreaktion aufgrund von Naturgesetzen von alleine gestoppt wird, sobald die Temperatur im Reaktorkern auf kritische Werte steigt. Der Eingriff des Menschen oder aktiver Sicherheitssysteme ist nicht erforderlich.

Zweitens produziert ein Thorium-Meiler gegenüber heutigen Reaktoren bis 10 000-mal weniger radioaktiven Abfall – zudem solchen, der weniger problematisch ist als jener der heutigen KKW. Die Radioaktivität von über 80 Prozent des Abfalls aus Thorium-Anlagen sinkt innerhalb von zehn Jahren auf ungefährliche Werte. Die restlichen 20 Prozent müssen für tausend und nicht für hunderttausende Jahre in ein Endlager. Allerdings: Bis zur Fertigstellung eines kommerziell erhältlichen Thorium-Flüssigsalzreaktors wird es laut Experten noch bis 2040 dauern.