«Er parkierte sein Auto auf der Autobahn»

LANDESVERWEISUNG

Wird ein Ausländer wegen Gefährdung des Lebens schuldig gesprochen, ist er laut Strafgesetzbuch des Landes zu verweisen. Unter Artikel 66 werden mehrere strafbare Handlungen festgehalten, die bei einer Verurteilung einen obligatorischen Landesverweis nach sich ziehen. Das Gericht kann ausnahmsweise von einer Landesverweisung absehen, wenn diese für den Ausländer einen schweren persönlichen Härtefall bewirkt und die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen. (cwi)

«Ich wollte ihn nur zur Rede stellen», beteuerte der 37-jährige Beschuldigte vor dem Bezirksgericht Zofingen. Der Syrer soll im Frühling 2018 auf der Autobahn in der Nähe der Ausfahrt Rothrist im dichten Feierabendverkehr einen anderen Verkehrsteilnehmer bis zum Stillstand ausgebremst haben. Anschliessend stieg er mitten auf der Autobahn aus dem Auto aus, schlug auf den anderen Wagen ein und bedrohte dessen Lenker. «Er hat mich provoziert», begründete der Beschuldigte.

Durch den Stinkefinger provoziert gefühlt

Bevor es zu besagten Vorfall kam – der auch von den Verkehrskameras festgehalten wurde – fuhr der Beschuldigte mit seinem BMW auf der Autobahn von Egerkingen herkommend Richtung Rothrist auf der Mittelspur. Mit ihm befanden sich unter anderem seine Frau und die Tochter im Wagen. Der Syrer wollte die Autobahn in Rothrist verlassen und soll unvermittelt auf den rechten Fahrsteifen hinüber geschwenkt sein, wo er einen anderen Verkehrsteilnehmer abdrängte. «Ich musste massiv abbremsen und auf den Pannenstreifen wechseln, um eine Kollision zu vermeiden», sagte der Fahrer des beteiligten Dodge Challenger. Der Beschuldigte stritt ab, das andere Fahrzeug abgedrängt zu haben. «Ich habe nur geblinkt. Den Fahrstreifen habe ich nicht gewechselt», hielt er fest. Unbestritten von beiden Parteien war, dass es nach diesem Manöver zu Handgesten zwischen den Männern kam. Dabei zeigte der Dodge-Fahrer angeblich den Mittelfinger. Provoziert vom Stinkefinger entschied der seit 2008 in der Schweiz lebende Beschuldigte, dem Dodge-Fahrer weiter in Fahrtrichtung Zürich zu folgen.

Er stieg mitten auf der Autobahn aus dem Wagen

Einige Meter weiter überholte der BMW-Fahrer den nun auf dem Mittelstreifen fahrenden Dodge von rechts. Der Beschuldigte bog knapp vor dem anderen Auto ein und bremste dieses bis zum Stillstand aus. Wie der Dodge-Fahrer angab, sei er zu diesem Zeitpunkt mit 80 bis 100 km/h unterwegs gewesen. Auch die nachfolgenden Fahrzeuge mussten Bremsmanöver einleiten, um eine Kollision mit den beiden Fahrzeugen zu vermeiden. Unbeeindruckt vom vorbeifahrenden Verkehr, stieg der Beschuldigte aus, näherte sich dem Dodge und schlug mit der Faust gegen dessen Seitenscheibe. «Ich wollte ihn lediglich fragen, weshalb er mir den Stinkefinger zeigte», sagte der wegen diversen Verkehrsdelikten vorbestrafte Beschuldigte. Erst als zwei seiner Mitfahrerinnen aus dem Auto stiegen und auf ihn einredeten, ging der Mann zu seinem Auto zurück und fuhr weiter.

Staatsanwaltschaft fordert eine Landesverweisung

«Er parkierte sein Auto wortwörtlich auf der Autobahn», befand die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. Ohne den Videobeweis hätte sie kaum glauben können, dass jemand einfach mitten auf der Autobahn anhalte, um eine andere Person zur Rede zu stellen. Die Staatsanwaltschaft fordert für mehrfache Gefährdung des Lebens, Drohung, Nötigung, mehrfache grobe Verletzung der Verkehrsregeln sowie das Führen eines Motofahrzeuges trotz Entzug eine Freiheitsstrafe von 4½ Jahren sowie einen obligatorischen Landesverweis von 10 Jahren (siehe Box). Die Anwältin des Beschuldigten fordert einen teilweisen Freispruch, insbesondere vom Vorwurf der Gefährdung des Lebens. Sie beantragt eine bedingte, siebenmonatige Freiheitsstrafe sowie eine Geldstrafe in der Höhe von 180 Tagessätzen à 70 Franken. Das Urteil des Bezirksgerichts ist noch nicht bekannt.