
Erfundener Bombenalarm: Ein teures Ablenkungsmanöver
Die Rothristerin handelte dreist und kreativ, wie so viele Süchtige. Deshalb kam man ihr erstaunlich lange nicht auf die Schliche. Doch am Ende stand die Selbstzerstörung – auch das typisch für eine Sucht.
Eine frühere Mitarbeiterin von Möbel Pfister in Pratteln griff in die Kasse ihres Arbeitgebers, das Geld verpulverte sie danach im Casino. Um den Diebstahl zu vertuschen, erfand die Spielsüchtige Ende 2015 einen Bombenalarm. Gestern erhielt die 37-Jährige eine Freiheitsstrafe von 24 Monaten bedingt, dies bei einer Probezeit von 3 Jahren. Das Baselbieter Strafgericht verhängte zudem eine bedingte Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 90 Franken. Hinzu kommt ein Anteil an den Verfahrenskosten und eine Parteientschädigung an Ikea als Privatklägerin, insgesamt also etwas mehr als 40000 Franken. Auch eine Busse von 2000 Franken wurde ausgesprochen, sie ist jedoch schon abbezahlt. Das Gericht verlangt von der Verurteilten zusätzlich, dass sie eine Therapie absolviert, um ihre Spielsucht zu kurieren.
Kläger forderten viel mehr Geld
«Sie sind mit einem blauen Auge davongekommen», sagte Gerichtspräsident Adrian Jent bei der gestrigen Urteilsverkündung in Muttenz. «Wir hoffen, dass Sie Ihre Lektion gelernt haben. Sie müssen jetzt an sich arbeiten.» Die Ex-Kaderangestellte von Möbel Pfister nahm das Urteil regungslos zur Kenntnis. Auf sie kommt eine enorme finanzielle Belastung zu. Denn ihrem früheren Arbeitgeber schuldet sie noch immer gegen 42000 Franken – auch diesen Betrag muss sie abstottern.
Dabei kommt die Verurteilte noch glimpflich davon. Denn die Privatkläger hatten ein Vielfaches der jetzt verhängten Strafen und Entschädigungen verlangt. Insgesamt machten Ikea, Möbel Pfister und Media Markt 200000 Franken geltend, die zurückzuzahlen seien. Das sei der Betrag, der den Fachmärkten in Pratteln durch die Lappen gegangen sei an jenem 29. Dezember 2015.
Nach der erfundenen Bombendrohung sperrte die Polizei das Gebiet Grüssen ab. Die Geschäfte von Ikea und Media Markt wurden zwar, anders als das Möbelhaus von Pfister, nicht evakuiert. Doch weil die Ausgänge und Zufahrten stundenlang verriegelt waren, kam der Betrieb zum Erliegen. Das Gericht hielt fest, dass zwar offensichtlich ein Schaden entstanden sei. Es fehle jedoch die gesetzliche Grundlage für eine Verurteilung wegen arglistiger Vermögensschädigung. «Den Freispruch in diesem Punkt mag man als stossend empfinden», sagte Jent. «Es ist nun halt mal so.» Die Privatkläger haben die Möglichkeit, das Urteil weiterzuziehen. Ebenfalls könnten sie versuchen, ihre Forderungen auf dem Zivilweg geltend zu machen.
Dass die Freiheitsstrafe nur bedingt ausgesprochen wurde, hat laut Gericht mit der Prognose zu tun: Diese sei «nicht schlecht». Für die Verurteilte spreche, dass sie nicht vorbestraft sei, ihre Taten gestanden habe, wieder arbeite und ihre Schulden bereits zurückzahle. Ebenso habe sie selbstständig Hilfe gegen ihre Sucht gesucht. Nicht zuletzt zeigte die gebürtige Serbin, die als 9-Jährige in die Schweiz kam, laut Adrian Jent glaubhaft Reue für ihre Taten. Er sagte: «Wir nehmen es Ihnen ab, dass Sie sich schämen.»
Kontoauszüge gefälscht
Ihre Spielsucht begann laut den Angaben der Verurteilten im April 2015. Auf einem Mitarbeiterausflug ins Casino Baden gewann sie 115000 Franken. Von da an sei sie angefixt gewesen, sagte sie am ersten Verhandlungstag (siehe ZT/LN von gestern). Vom Gewinn war aber bald nichts mehr übrig. Stattdessen häufte sie Schulden an. Den Diebstahl beging sie am Abend vor dem Tag des Bombenalarms: Sie entwendete aus dem Tresor 101 500 Franken.
Die Anklageschrift führte, neben Diebstahl und arglistiger Vermögensschädigung, weitere Vergehen auf, unter anderem auch Urkundenfälschung. Diese war der Grund für die Geldstrafe. Die Spielsüchtige war dem Casino Luzern bereits Mitte 2015 aufgefallen. Weil sie jedoch gefälschte Kontoauszüge vorlegte, entging sie einer Sperre – und konnte weiterspielen.