
«Es ist wichtig, dass wir den Bezug zu den Wurzeln nicht verlieren»
50-Jahr-Jubiläum Heimatmuseum Rothrist: Was 1967 mit einzelnen Gegenständen begonnen hat, ist inzwischen zu einer mehrere Tausend Exponate umfassenden Sammlung angewachsen. Ein Blick zurück.
Kochen wie zu Grossmutters Zeiten, Weben im eigenen Heim, Landwirtschaft mit Pferd und Wagen betreiben – seit 50 Jahren nimmt einen das Heimatmuseum mit auf eine Reise in den Alltag des 19. und 20. Jahrhunderts in Rothrist. Wie sich das Leben in dem von Heimarbeit geprägten Dorf abgespielt hat, illustrieren Dokumente, Gegenstände und die historisch eingerichteten Räume im ehemaligen «Miescherheimet», in welchem sich das Museum seit zehn Jahren befindet. Doch die Geschichte des Museums geht insgesamt 50 Jahre zurück und beginnt im Schulhaus Dörfli. Aber der Reihe nach.
Es ist im Jahr 1967, als der Rothrister Rolf Hofer den Grundstein für das Heimatmuseum legt. «Im Vorfeld der Dorfwoche – einem zehntägigen Fest – waren Vereine und Firmen angehalten, Ideen für den traditionellen Anlass zu sammeln. Eine davon war ein Flohmarkt», erinnert sich der heute 80-jährige Hofer. Die Leute sollten ihre Keller und Estriche von alten, ungebrauchten Gegenständen befreien und verkaufen.
Doch Hofer hatte eine andere Idee: «Ich habe vorgeschlagen, diese Gegenstände als Grundstock für ein Museum zu sammeln, statt zu verkaufen.» So wandte sich der begnadete Sammler an den Gemeinderat, da er eine öffentliche Trägerschaft als notwendig erachtete und erhielt kurze Zeit später grünes Licht. «Es wäre schön, wenn schon bis zur Dorfwoche 1967 eine Anzahl alter Gegenstände gesammelt werden könnten, um den Grundstein für ein Heimatmuseum zu bilden», schrieb der damalige Gemeinderat in einem Brief an Rolf Hofer. Innerhalb von 14 Tagen bestellte dieser die erste Museumskommission, bestehend aus Maria Flückiger, Hansrudolf Ging und sich selbst. Zwei Wochen später stiess mit Hausarzt Max Güttinger ein weiteres engagiertes Mitglied zum Gremium. Im Dorf schlugen die vier Rothrister, die allesamt leidenschaftliche Sammler sind bzw. waren, kräftig die Werbetrommel, um Material K zusammenzutragen. «Das waren anfänglich vor allem Gegenstände bäuerlicher Art. Messgeräte, Pferdezubehör oder Lampen», sagt Hofer und erklärt, dass man dazu ein Inventar geführt und die Leute – zur Absicherung des Museums – habe unterzeichnen lassen. Wenige Monate später, in der Dorfwoche vom 30. Juni bis 10. Juli 1967, konnten Interessierte in der Abwartswohnung beim Schulhaus Dörfli die erste Ausstellung bewundern. Gleichzeitig bot das Fest Gelegenheit, auf die Sammlung aufmerksam zu machen und diese zu erweitern. Ein Jahr später war ein Umzug aus Platzgründen unumgänglich. In den Räumen des Lässerhauses fand die Geschichte des Museums eine Fortsetzung, bis 13 Jahre später ein erneuter Umzug anstand. Das Zehntenhaus war nun neuer Standort des Heimatmuseums.
Vermächtnis an die Gemeinde
Eine, die dem Heimatmuseum stets wohlgesinnt war, war Trudi Miescher (siehe Kasten). In ihrem Testament vermachte sie der Gemeinde Rothrist ihre gesamte Liegenschaft sowie Barschaft und Mobiliar, verbunden mit der Auflage, dass das Museum dereinst in das «Miescherheimet» einziehen muss. 1986 verstarb die Rothristerin. Die Planung für den Umbau des Haues zog sich aber in die Länge. 1991 lehnte die Gemeindeversammlung das erste Projekt ab. Stattdessen nutzte die Gemeinde die Liegenschaft in Sozialwohnungen um. Ein erneuter Anlauf 2005 führte schliesslich zum Erfolg. Die Gmeind bewilligte einen Kredit von 3,2 Millionen Franken für den Umbau des Museums. Danach richtete das Historikerehepaar Susanne und Dominik Sauerländer-Mangold das Museum ein, so wie es sich heute prä- sentiert. Über 20 Jahre nach dem Tod von Trudi Miescher erfüllte die Gemeinde 2007 ihren Wunsch und feierte die Eröffnung des neuen Heimatmuseums.
Was mit einzelnen Gegenständen begonnen hat, ist inzwischen zu einer mehrere Tausend Exponate umfassenden Sammlung angewachsen. Zehn Jahre sind seit der Eröffnung vergangen und die Mitglieder der Museumskommission blicken auf eine erfolgreiche Zeit zurück. Mehr als 1500 Besucher, darunter auch Schulklassen, tauchen jährlich in das Leben von damals ein. «Das Museum ist in einer Zeit wie heute, in der die Entwicklung derart rasant ist, wichtig, damit man den Bezug zu den Wurzeln nicht verliert», sagt Eva Stalder, die seit 1999 der Museumskommission angehört.
Zündende Ideen gefragt
Anklang fänden vor allem die Landwirtschaftsaustellung in der Remise sowie die Ausstellung im Dachgeschoss, die dem Thema Auswanderung gewidmet ist, erzählt Ueli Tanner, ebenfalls Mitglied der Museumskommission. Im Jahr 1855 etwa verliessen 12 Prozent der Rothrister aus Armut ihre Heimat und versuchten ihr Glück in Amerika. «Ein Highlight sind auch immer wieder die Konfirmandenfotos der letzten 100 Jahre», sagt Tanner weiter. Heute würden längst nicht mehr alle konfirmiert, sodass auf den Fotos nur noch halb so viele Köpfe zu sehen seien wie früher. «Meine Idee wäre deshalb, von jeder Klasse, die ihre Schulzeit beendet, ein Foto im Museum zu präsentieren. Darauf wären mehr Jugendliche abgebildet als auf den Konfirmandenfotos», sagt Ueli Tanner, der damit künftig vor allem mehr Besucher anlocken möchte. Eva Stalder zeigt sich von diesem Vorhaben ebenso begeistert. «Es sind immer wieder zündende Ideen gefragt, um das Museum lebendig zu erhalten. Es darf auf keinen Fall einschlafen. Wir sind gefordert», sagt die Rothristerin. Nebst der Dauerausstellung präsentiert das Museum jährlich eine oder mehrere Sonderausstellungen, die sich bestimmten Themen widmen. Von 2008 bis heute fanden im Museum 26 Sonderausstellungen und Vorträge statt; Medizingeschichte, Spielzeuge, Grammophone, Bienen, Tretautos – das sind nur einige davon. «Wir haben dadurch viele Besucher im Museum begrüssen dürfen», sagt Ueli Tanner.
Einer, der auch regelmässig im Heimatmuseum anzutreffen ist, ist Gründer Rolf Hofer, der nach der Einführung der Amtszeitbeschränkung im Jahr 1999 zusammen mit allen anderen Mitgliedern die Museumskommission verlassen musste. «Für mich ist das Heimatmuseum wie mein viertes Kind. Es freut mich, dass dieses Lebenswerk erhalten bleibt.» Auf 50 weitere Jahre stossen Mitte September auch die Verantwortlichen des Museums an, die im geschlossenen Rahmen das Jubiläum zelebrieren. Danach sind alle wieder eingeladen, in den Alltag von damals abzutauchen.