Europa öffnet Grenzen für Touristen: Wohin sich die Reise lohnt – und wo Schweizer nicht willkommen sind

Noch verschlägt es nur wenige Touristen in die europäischen Ferien-Hotspots wie Berlin, Rom oder Paris. Auch an den Stränden Mallorcas ist noch nicht viel los. Das könnte sich aber bald ändern. Eindrücke aus beliebten Destinationen im nahen Ausland.

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Deutschland: Berlin vermisst die Schweizer

Berlin, 25 Grad, Sonnenschein: Trotzdem hat es kaum Menschen vor dem weltberühmten Brandenburger Tor. Normalerweise wäre dieser historische Ort an einem Juni-Tag voller Menschen.

Das weltbekannte Brandenburger Tor, blauer Himmel, keine Touristen - Berlin glich wochenlang einer Geisterstadt. Nun hofft die deutsche Hauptstadt wieder auf Besucher.

Das weltbekannte Brandenburger Tor, blauer Himmel, keine Touristen – Berlin glich wochenlang einer Geisterstadt. Nun hofft die deutsche Hauptstadt wieder auf Besucher. © fotolia

«Ich stehe jetzt fast drei Stunden hier und hatte noch keine Fahrt», hadert Heinz. Der 65-Jährige fährt Touristen mit seiner Rikscha quer durch Berlin, 45 Euro für eine Stunde. «Die Schweizer sind die einzigen, die dann immer fragen: Ist das pro Person?», erzählt Heinz und muss lachen. «Ich vermisse die Schweizer. Die machen 15 Prozent meines Jahresumsatzes aus.»

Heinz hat seine Rischka erst gerade wieder hervorgeholt. Jetzt, wo die Grenzen für die Touristen offen sind, sollte es eigentlich aufwärts gehen. «Aber es ist so viel los wie an einem saukalten Tag Ende Januar», sagt Heinz. «Das dauert, bis wieder einigermassen Betrieb herrscht.»

Vor dem Brandenburger Tor verkauft Georg, 64, Tickets für Sightseeing-Touren im Doppelstock-Bus. Er braucht die Gäste aus aller Welt, um über die Runden zu kommen. «Das Jahr ist eh futsch. Aber vielleicht können wir im Juli und August ein wenig Boden gut machen», hofft Georg. Vor dem Reichstagsgebäude dann doch endlich zwei Touristen. Kim, 32, und Daniel, 42, aus Zürich. «Kein Anstehen, kein Gedränge – das ist total angenehm», freut sich Kim. Besser könnte es bei einem Städte-Trip gar nicht laufen. Christoph Reichmuth aus Berlin

Spanien: Mallorcas Tourismus-Übung

Das Wetter enttäuschte die ersten Urlauber nicht, die am Montag aus Düsseldorf kommend auf Mallorca landeten. Die Feriensaison auf Europas populärster Ferieninsel ist eröffnet. Allerdings nur im Rahmen eines Pilotprojekts, mit dem Mallorca den Tourismus in Coronazeiten mit Urlaubern aus Deutschland «testet».

Die ersten Touristen am Strand von Palma de Mallorca nach dem langen Lockdown.

Die ersten Touristen am Strand von Palma de Mallorca nach dem langen Lockdown.

© Joan Mateu / AP

Die Sicherheitsvorkehrungen sind gross: In der Ankunftshalle wird bei allen Touristen mit einer Wärmekamera Fieber gemessen. Bei 37,5 Grad Körpertemperatur schlägt die Kamera automatisch Alarm. Die Ankommenden müssen schriftlich versichern, dass sie keine Covid-19- Symptome haben.

In Spaniens Hauptstadt Madrid war unterdessen die Freude über den Mallorca-Frühstart begrenzt. «Warum dürfen die Deutschen schon auf der Insel Urlaub machen und wir nicht?», maulten viele Madrilenen. Auf dem spanischen Festland werden die Reisebeschränkungen für Touristen erst am kommenden Sonntag aufgehoben. Das heisst zugleich: Vom 21. Juni an können auch Reisende aus der Schweiz alle spanischen Reiseziele ansteuern.

Auf Mallorca erwartet die Reisenden inzwischen weitgehende Normalität: Sie können Ausflüge machen, Restaurants, Sehenswürdigkeiten und Strände besuchen; vielerorts aber nur mit Maske. Nur die Partytempel im «Ballermann»-Vergnügungsviertel dürfen noch nicht öffnen. Ralph Schulze aus Madrid

Italien: Wer geht schon mit Gesichtsmaske in die Trattoria?

Italiens Touristiker machen sich keine Illusionen: 2020 wird ein Jahr zum Vergessen – auch wenn die Grenzen wieder offen und Besucher wieder willkommen sind. Die Frühlingssaison war ein Totalausfall: minus 98 Prozent Umsatz in den Monaten März, April und Mai, 80 Millionen Übernachtungen weniger. Aber auch für den Sommer sind bei den meisten Hotels die Buchungslisten leer. An den Flughäfen herrscht Flaute: In Rom Fiumicino wurden gestern 10000 Passagiere gezählt – normalerweise wären es in dieser Jahreszeit 120000.

Selfie mit Gesichtsmaske: Eine Rom-Touristin vor dem Kolosseum.

Selfie mit Gesichtsmaske: Eine Rom-Touristin vor dem Kolosseum. © Ettore Ferrari / EPA

Italien steht nach wie vor unter dem Schock der Bilder mit den Militärlastwagen, die in Bergamo die Särge mit den Toten abtransportierten. Entsprechend streng sind die Vorschriften auch in den Restaurants. Nur wer sich im Freien in eine Trattoria setzt, kann auf die Gesichtsmaske verzichten – die Lust aufs Ausgehen ist auch vielen Italienern unter diesen Umständen vergangen. Dominik Straub aus Rom

Frankreich: Quarantänegefahr an der Grenze

«Paris, ein Fest fürs Leben»: Der Titel des berühmten Hemingway-Werkes war drei Monate lang nicht mehr gültig. Jetzt soll er wieder aktuell werden: Gestern durften die Restaurants und Bistros auch in Paris wieder öffnen. Auch einzelne Museen – etwas das Quai Branly – haben bereits wieder geöffnet, andere werden in wenigen Tagen folgen. Das gleiche gilt für die Theater und Kinos – wo allerdings nur jeder zweite Sitz belegt werden darf.

Bedienung mit Maske auf der Terasse eines Pariser Cafes: Noch lässt der Ansturm auf sich warten.

Bedienung mit Maske auf der Terasse eines Pariser Cafes: Noch lässt der Ansturm auf sich warten.

© Francois Mori / AP

Auch im Übrigen Frankreich wird das Reisen wieder ungehindert möglich sein. Die Grenzen zum Nachbarland Schweiz sind wieder offen. Aber Achtung: Wer mit dem Auto aus Spanien in die Schweiz zurückkehren möchte, muss an der Pyrenäengrenze zu Frankreich in die Quarantäne.

Das hat die Regierung in Paris als eine Art Retorsionsmassnahme beschlossen, weil Spanien dasselbe für Reisende aus Frankreich angeordnet hat. Die gleiche Quarantäne-Regelung gilt zwischen Frankreich und England. Stefan Brändle aus Paris

Grossbritannien: Grenzer lassen sogar «DDR-Bürger» durch

Europa öffnet sich – doch Grossbritannien lässt seine umstrittene Quarantäne in Kraft. Touristen müssen sich 14 Tage lang zwangsisolieren, egal ob sie aus dem coronafreien Neuseeland oder einem Hotspot wie Brasilien kommen.

„Wir sind zurück“: London lädt wieder zum Shopping-Trip – allerdings mit einem grossen Hindernis: Wer einreist, muss 14 Tage in Quarantäne.

© Andy Rain / EPA

Kritiker der Massnahme weisen darauf hin, dass die Pandemie in allen Nachbarländern mindestens so gut unter Kontrolle sei wie auf der Insel. Deshalb spricht Ryanair-CEO Michael O’Leary von einer «leeren Geste». Gemeinsam mit den Konkurrenten British Airways und EasyJet geht der Billigflieger gerichtlich gegen die Quarantäne-Vorschrift der Regierung vor.

Derweil berichten erste Touristen, dass das von allen einreisenden verlangte Formular vom chronisch unterbesetzten Grenzschutz gar nicht überprüft werde. Als Herkunftsland können Reisende die UdSSR, die DDR oder Jugoslawien angeben: Staaten, die seit 30 Jahren nicht mehr existieren. Sebastian Borger aus London

Europa: Die Passagierzüge rollen – Endlich wieder Reisestress!

Basel-Brüssel barrierefrei – ab gestern ist es wieder möglich. Allerdings muss das, was in unter einer Flugstunde zu machen wäre, mangels Flugkapazität vorerst mit dem Zug zurückgelegt werden. Sei’s drum. Auf der Fahrt kriegt man noch etwas von der Landschaft mit.

Die ICE-Züge rollen wieder - manche indes auch schon wieder mit Verspätung.

Die ICE-Züge rollen wieder – manche indes auch schon wieder mit Verspätung.

© Peter Schneider / KEYSTONE

Pünktlich fährt der ICE der Deutschen Bahn in Basel SBB los. Während in der Schweiz kaum jemand eine Maske trägt, ist die «Mund-Nase-Bedeckung» hier Pflicht. Über Frankfurt geht es hoch bis nach Köln zum Umsteigen Richtung Aachen über Lüttich bis in die EU-Hauptstadt. Ruhig ist die Fahrt, Windräder und Weinreben fliegen vorbei. Schön ist’s doch im Deutschen Lande.

Doch kurz vor Baden-Baden die Durchsage: Personenunfall, alle aussteigen. Hastig wird ein Ersatzzug gesucht. Vorbei ist’s mit der Gemütlichkeit. Telefonierende Nachbarn, Eltern mit tobenden Kindern, Stehen im Gang. Aber klagen will man nicht. So lange musste man sich gedulden, solange man eingesperrt war. Jetzt endlich wieder Reisestress. Remo Hess aus Brüssel