
Exodus von Whatsapp – warum am Sockel des Platzhirschen aller Chat-Apps gerüttelt wird
Die Chat-App Whatsapp ist aus dem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken. Wirklich? Gerade melden sich Nutzer weltweit ab oder eröffnen zumindest ein zusätzliches Konto bei einer anderen Messenger-App. Die Ankündigung von Facebook, den Datenaustausch mit der Tochterfirma Whatsapp ab dem 8. Februar zu vertiefen, scheint für manche der berühmte Tropfen zu viel gewesen zu sein. Der Wechsel ist für viele ein Statement.
Das spürt die Schweizer Messenger-App Threema. Die Downloadzahlen der kostenpflichtigen App steigen rasant an. Auch die Gratis-Alternativen Telegram (Dubai) und Signal (USA) legen deutlich zu. «Im Moment gehen die Downloads durch die Decke. Wir verzeichnen derzeit täglich zehnmal mehr Downloads als an einem normalen Tag», sagt Threema-Sprecher Roman Flepp. «Normalerweise liegen sie bei einigen tausend pro Tag, jetzt bei mehreren zehntausend.»
Gibt Schweizer Messenger Threema Auftrieb
Threema hat knapp 30 Mitarbeitende und seinen Sitz in Pfäffikon SZ. Die Zahl der Nutzer liegt bei 8 Millionen. Zu den Kunden zählen auch Schweizer Bundesbehörden, die Firmen Bosch und Daimler oder Lehrkräfte.
Threema wirbt damit, dass sich der Dienst komplett anonymisiert nutzen lässt und weder Mobilnummer noch E-Mail-Adresse nötig sind. Der Server steht in der Schweiz. Der Download der App kostet 3 Franken. Threema argumentiert gegen Gratis-Apps:
Übrigens ist auch der alte SMS-Dienst kostenpflichtig und hat keinen eigentlichen Besitzer mit versteckten Interessen, jedoch ist die komplette Verschlüsselung der Daten nicht möglich, was SMS anfällig für Hackerangriffe macht.
Threema ist im Vergleich zu Whatsapp und Telegram trotz allem weiterhin ein Zwerg: Whatsapp zählte im Februar 2020 mehr als 2 Milliarden Nutzer, Telegram 500 Millionen. Letztere meldete diese Woche mehr als 25 Millionen Neuregistrierungen innert dreier Tage.
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Einer alleine kann nicht wechseln – so kommts zum Schneeballeffekt
Wer wechselt, muss auch seine Kontaktpersonen überzeugen: Nur wenn diese die andere App auch installiert haben, kann man mit ihnen kommunizieren. So geschehen die Wechsel weg von Whatsapp nun teilweise im Schneeball-Effekt: Sobald ein Freundeskreis zu einem anderen Messenger gewechselt hat, versuchen die Mitglieder auch die restlichen Chat-Kontakte zu überzeugen. Da dies jedoch kaum je komplett gelingt, werden die meisten ihren Whatsapp-Kanal offen behalten und das Konto nicht löschen. Es bleibt aber denkbar, dass sich längerfristig ein neuer Platzhirsch durchsetzt.
Bereits in der Vergangenheit haben alternative Anbieter von den Sorgen der Whatsapp-Nutzer um die Datenverwendung profitiert: So im Frühjahr 2014 als Whatsapp von Facebook für rund 19 Milliarden Dollar übernommen wurde.
Auch der nichtkommerzielle US-Anbieter Signal verbuchte zuletzt eine starke Nachfrage: Am Donnerstag veröffentlichte Signal auf Twitter zwei Screenshots, die zeigen, dass die App-Downloads im Google Play Store von 10 auf 50 Millionen hochgeschossen sind. Der Trend wurde von einem Tweet von Elon Musk noch verstärkt: Wie schon vor Jahren Edward Snowden empfiehlt nun auch der Tesla-Chef den Umstieg. Signal selbst hat eine Anleitung veröffentlicht, wie man eine Whatsapp-Gruppe mit wenigen Schritten dazu bringt zu wechseln.
Es geht weniger um die Sicherheit als ums Image von Facebook
Facebook ist einer der weltgrössten Datenkraken. Das US-Unternehmen sammelt möglichst viele Informationen über Internetnutzer. Mit dem Ziel, personalisierte Werbebotschaften zu verkaufen. Whatsapp-User müssen bis spätestens zum 8. Februar den neuen Nutzungsbedingungen zustimmen, um den Messenger-Dienst weiter nutzen zu können. Wer akzeptiert, willigt ein, persönliche Informationen mit Facebook zu teilen.
Zwar sagt Facebook, das Teilen der Daten diene der Sicherheit aller Facebook-Produkte. Das Unternehmen wolle damit gegen Spam, Drohungen, Missbrauch und Rechtsverletzungen vorgehen. In den neuen Nutzungsbedingungen steht aber auch, die Informationen würden geteilt, um zu helfen, die «Dienste zu betreiben, bereitzustellen, zu verbessern, zu verstehen, anzupassen, zu unterstützen und zu vermarkten».
Betroffen sind weltweit 2 Milliarden User. Nicht aber jene in Europa und der Schweiz. Für die Europäer gilt eine eigene Datenschutzerklärung, wonach Whatsapp deutlich weniger Daten mit Facebook teilen und nutzen darf. Dennoch findet der Exodus von Whatsapp auch in Europa statt.
Gegenüber dem deutschen Portal «Golem» sagte eine Whatsapp-Sprecherin: «Es gibt keine Änderungen an den Praktiken der Datenweitergabe von Whatsapp in der europäischen Region, die sich aus den aktualisierten Nutzungsbedingungen und Datenschutzrichtlinien ergeben.» Doch bezüglich Image ist der Schaden angerichtet. Das Fass läuft über.