
Experiment in Altbüron: Pilzsporen gegen Engerlinge


In Altbüron wird schweizweit erstmals ein natürlicher Pilz gegen Engerlinge auf einer sogenannten Biodiversitätsförderfläche eingesetzt. Bevor der Kampf gegen die gefrässigen Schädlinge starten konnte, kämpfte der Altbüroner Landwirtschaftsbeauftragte Alois Rölli allerdings ein Jahr lang gegen die Mühlen der Bürokratie. Doch der Reihe nach.
Wenig Futter, kahle Stellen, Erosions- und Rutschgefahr beim Einbringen der Ernte: Die Larven des Junikäfers setzten der Blumenwiese so zu, dass der Landwirt Dieter Bossert sich ernsthaft überlegte, die 1,6 Hektar grosse, ökologisch besonders wertvolle Fläche umzupflügen und auf die Förderbeiträge zu verzichten. Das rief Alois Rölli auf den Plan. Als Projektverantwortlicher der Gruppe Vernetzungsprojekt Altbüron/Pfaffnau setzt er sich seit Jahrzehnten dafür ein, die Biodiversität in der Gemeinde zu fördern. Die artenreiche Blumenwiese in der Grösse von zwei Fussballfeldern an einer südlichen Hanglange will er unbedingt im Vernetzungsprojekt behalten. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Zielvorgaben des Projekts nicht mehr erreicht werden können. Deshalb Röllis Idee: Die Wiese mit einem natürlichen Pilz behandeln und so die Verbreitung der Schädlinge eindämmen.
Methode ist bekannt, aber wenig untersucht
Die sogenannt entomopathogenen Pilze sind natürliche Gegenspieler der bis zu drei Zentimeter langen Engerlinge und die Bekämpfungsmethode wurde schon vor Jahrzehnten entwickelt. Allerdings ist deren Anwendung technisch herausfordernd und es gibt nur wenige langjährige Untersuchungen, welche die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der biologischen Schädlingsbekämpfung untermauern. Im Rahmen eines fünfjährigen nationalen Projekts unter Leitung der Forschungsstelle Agroscope soll nun genau dies untersucht werden. Der Haken: Ein Einsatz der Pilzsporen auf Biodiversitätsförderflächen ist generell verboten, da der Pilz vom Gesetz her als ein Pestizid gilt. Ein Jahr lang kämpfte Alois Rölli mit der Bürokratie. Unterstützung erhielt er von der Agronomin und Biodiversitäts-Beraterin Linda Riedel vom Berufsbildungszentrum Natur und Ernährung (BBZN) in Schüpfheim. Gemeinsam schafften sie es, vom Bundesamt für Landwirtschaft eine Sonderbewilligung für den versuchsmässigen Pilzeinsatz in Altbüron zu erwirken. Selbst als der Kanton Luzern die Mitfinanzierung des fünfjährigen Agroscope-Projekts verweigerte (siehe Kästchen rechts), gab Rölli nicht auf. Er überzeugte die Gemeinde Altbüron, welche das Vernetzungsprojekt in den letzten zwölf Jahren bereits mit über 100 000 Franken unterstützt hat, in die Lücke zu springen.
Millionen Sporen befinden sich auf einem Korn
Anfang Juli hat der Feldversuch begonnen. An einem Samstagnachmittag fuhr Christian Schweizer in Altbüron vor. Die befallene Blumenwiese (der hohen Qualitätsstufe Q II) war gemäht, die Bodenfeuchtigkeit optimal für den Einsatz der Pilzsporen. Der Insektenforscher arbeitet bei Agroscope und beschäftigt sich seit 40 Jahren mit dem Einsatz von Pilzsporen gegen Engerlinge. Schweizer ist der unbestrittene Experte auf diesem Gebiet. Im Kofferraum seines Autos lagerten gut 100 Kilo sterile Gerste, welche mit dem entomopathogenen Pilz Metarhizium geimpft sind. Zehn Millionen Pilzsporen befinden sich auf jedem einzelnen Gerstenkorn, welche spezifisch gegen die Larven des Junikäfers wirken.
Mittels Direktsämaschine werden die geimpften Gerstenkörner zehn Zentimeter tief unter die Erde eingebracht, rund 100 Gerstenkörner pro Quadratmeter. In der dunklen, feuchten Erde sind die Bedingungen für das Pilzwachstum optimal. Schweizer hofft, dass sich das Pilzgeflecht in den nächsten Wochen und Monaten ausweitet und dabei die gefrässigen Larven befällt, worauf diese verenden. Bis zu 400 Engerlinge pro Quadratmeter hat der Experte auf befallenen Wiesen schon gezählt. Die globale Erwärmung und die milden Winter machten den Schädlingen das Überleben leicht. Schweizer spricht von einer regelrechten Plage, die auf uns zurollt: «In den letzten 40 Jahren habe ich noch nie so viele Mai- und Junikäfer erlebt wie aktuell.» Die Wirkung der biologischen Schädlingsbekämpfung wird nun wissenschaftlich begleitet. Bodenfallen sollen zeigen, ob der Pilzeinsatz für Nutzinsekten tatsächlich schadlos ist. Linda Riedel vom BBZN Schüpfheim hofft, dass Flockenblume, Wiesensalbei oder Witwenblume weiterhin blühen, die Wurzeln der ebenfalls wichtigen Gräser jedoch nicht mehr von den Engerlingen zerstört werden. Und Alois Rölli möchte, dass die Erkenntnisse aus diesem Projekt in die neue Agrarpolitik des Bundes AP22+ einfliessen und die biologische Schädlingsbekämpfung Schule macht.