Fähnrich mit leeren Händen

Vereinssymbol

Fahne ist eine kostspielige Anschaffung

Die Fahne steht als Symbol der Zugehörigkeit zum Staat, zur Gemeinde, zur Zunft, zum Verein. Soldaten schwören auf die Fahne. Für einen Verein ist eine neue Fahne kostspielig und braucht meist Sponsoren. Den Preis bestimmt die Wahl des Materials, die Grösse der Fahne sowie die Art der Herstellung. Wie bei der Fahnenherstellerin Heimgartner aus Wil zu erfahren ist, wählen Musikvereine, Männerchöre, Schützen und Turner vielfach Fahnen im Format 130 × 130 Zentimeter. Zwischen 10 000 bis 12 000 Franken kostet so eine Fahne mit Motiv und Zubehör aus reiner Seide. 2000 bis 4000 Franken günstiger, da mit 100 × 100 Zentimeter kleiner, sind die Fahnen der Damenturnvereine, Damenchöre und Jugendvereine.

Als Aushängeschild des Vereins sieht die Fahne auch der Aargauische Musikverband. Dieser lud letztes Jahr zu einem Ausbildungskurs. Neben Geschichte und Fahnenreglement übten die Fähnriche die Handhabung, die sich auf das Fahnenreglement der Schweizer Armee abstützt. «Das Interesse am Kurs ist auch von anderen Vereinen gross», sagt Kantonalpräsident Kurt Obrist und betont: «An Anlässen ist es augenfällig, ob der Fähnrich weiss, wie er mit der Fahne umzugehen hat.» Beim Aargauer Musikverband ist vorgesehen, nächstes Jahr erneut einen Fähnrichkurs anzubieten. (egu)

Der Fahnenkasten im Rothrister Gemeindehaus ist leer. Die Verbandsfahne des Nordwestschweizerischen Jodlerverbandes ist nun in Mümliswil-Ramiswil. Dort findet vom 5. bis 7. Juli das Jodlerfest des Nordwestschweizerischen Jodlerverbandes statt. Ebenso leer sind künftig auch die Hände von Immanuel Näf. Die letzten drei Jahre hat er als aktives Mitglied und Ehrenmitglied des Jodlerdoppelquartetts Rothrist (JDQ) die Fahne des Nordwestschweizerischen Jodlerverbandes stolz getragen und geschwungen. «Fähnrich zu sein, war mir eine grosse Ehre», sagt Immanuel Näf, der Fähnrich auf Zeit.

Seit dem Jodlerfest, das vom 10. bis 12. Juni 2016 in Rothrist stattfand, war die Verbandsfahne in Rothrist. Und mit ihr Fähnrich Immanuel Näf an Delegiertenversammlungen, letztes Jahr am Eidgenössischen Jodlerfest in Brig sowie anderen Feierlichkeiten. «Die Einsätze der Fahne schreibt der Vorstand des Nordwestschweizerischen Jodlerverbands vor», erklärt der pensionierte Klauenpflegeinstruktor aus Oensingen. Über 40 Jahre engagiert sich Näf in der Jodlerszene – davon 26 Jahre im Jodlerdoppelquartett Rothrist. «1986 habe ich für einen Einzelauftritt eine Handorgelbegleitung gesucht und diese in der Langenthalerin Elisabeth Werthmüller gefunden. So kam ich zum Jodlerdoppelquartett.» Davor und auch dazwischen hat er in anderen Jodlerklubs gesungen. «Am liebsten singe und jutze ich in Rothrist», betont Immanuel Näf, der sich auch schon als Fahnenschwinger mass.

20 000 Besucher in Rothrist

Rothrist verwandelte sich am Jodlerfest 2016 zum Treffpunkt für 2100 Jodlerinnen und Jodler, Fahnenschwinger sowie Alphorn- und Büchelbläser. Frauen zeigten sich in Tracht, Männer im Mutz. «Für Härz und Gmüet» unter diesem Motto stand der Grossanlass mit über 20 000 Besuchern. Zwei Jahre dauerte die minuziöse Planung des Jodlerdoppelquartetts Rothrist und des 28-köpfigen Organisationskomitees. In diesem engagierte sich der Jodlerdoppelquartett-Präsident Fritz Baumgartner als Sekretär: «Von den Vorträgen über das eigens aufgebaute Jodlerdörfli bis zu den Begegnungen – ich habe viele schöne Erinnerungen.» Erinnerungen bleiben auch Immanuel Näf – besonders auch an seine Einsätze als Fähnrich auf Zeit. Den Schlusspunkt setzt unter sein befristetes Amt der Festakt am Jodlerfest in Mümliswil-Ramiswil. «Etwas Wehmut ist da schon, wenn ich an die Fahnenübergabe denke», sagt er und fährt fort: «Obwohl sie ja schon beim Jodlerklub Passwang ist, denn sie brauchen die Fahne zur Präsentation schon während des Grossanlasses.» Der Nordwestschweizer Jodlerverband, der aus Mitgliedern aus den Kantonen Solothurn, Aargau, Basel-Land und Basel-Stadt besteht, rechnet in Mümliswil-Ramiswil mit gegen 25 000 Besuchern und 2000 Aktiven.

Fehlende Fahnentradition

Mit dabei sind auch die 22 Mitglieder des Jodlerdoppelquartettes Rothrist. Am Samstag, 6. Juli um 18.08 Uhr sind sie in der Turnhalle zu hören. Ihre Leistung entscheidet, ob sie nächstes Jahr am Eidgenössischen Jodlerfest in Basel dabei sind. «Am Sonntag um 9 Uhr übergeben wir dann die Fahne im Festzelt», sagt Präsident Fritz Baumgartner und fährt fort: «Dann sind wir wieder ohne Fahne, wie wohl die meisten Jodlerklubs.» Weshalb das so ist, kann er nicht schlüssig beantworten. «Seit meiner rund 40-jährigen Aktivzeit hat sich diese Frage in unseren Kreisen noch nie gestellt.» Gemäss Baumgartner wurden die ersten Jodlergruppen in der Schweiz vor etwas über 100 Jahren gegründet. So feierte im letzten Jahr der Jodlerklub Olten sein 100-jähriges Bestehen – ohne Fahne. «Offensichtlich bestand bei der Gründung kein Interesse oder kein Bedarf an einer Vereinsfahne und so entwickelte sich diesbezüglich auch keine Tradition.» In Rothrist ist dies seit 1948 der Fall. 13 Männer gründeten das JDQ am 22. Dezember im Restaurant Bahnhof. Ab Januar 1949 gab bis 1977 die Rothristerin Dora Haldemann-Ingold als Dirigentin den Takt an. Das JDQ zählte 9 Dirigenten, wovon 5 Frauen waren. Seit 2012 dirigiert Michael Frei.

Gesangsfreudige Männer gesucht

«Ein Jodlerfest bietet die ideale Plattform für die Pflege und Hege des Schweizer Brauchtums», sagt JDQ-Präsident Fritz Baumgartner. Sicht- und hörbar ist dies an Auftritten – so eröffnete das Jodlerdoppelquartett heuer die Rothrister Juni-Gemeinversammlung musikalisch. «Es war ein Dankeschön für die enorme Unterstützung der Gemeinde und der Bevölkerung rund ums Jodlerfest sowie ein würdiger Schlusspunkt.» Den Blick nach vorne ausgerichtet, möchte Fritz Baumgartner neue, gesangsfreudige Männer im JDQ begrüssen. «Herzlich willkommen sind auch solche ohne Vorkenntnisse – wichtig ist die Freude am Singen und Beisammensein.»

Das Jodlerdoppelquartett Rothrist probt dienstags von 20 bis 21.45 Uhr im Schulhaus Bifang in Rothrist. Infos gibt Präsident Fritz Baumgartner, 076 421 65 76.