Fake News aus dem frühen 18. Jahrhundert

Vortrag von Rudolf Gamper

«Zofingen (er)findet seine Geschichte: Quellenforschung und Geschichtskonstruktion um 1700» am 7. Februar um 20 Uhr in der Stadtbibliothek Zofingen.

Rudolf Gamper ist Experte für Fake News. Für geschichtliche Fake News. Denn Geschichte umzuschreiben und so zu konstruieren, dass sie ins eigene politische Weltbild passt, das ist nicht eine Neuerfindung gewisser moderner Machthaber. Es geschah auch schon in alter Zeit. Beispielsweise im frühen 18. Jahrhundert in Zofingen.

Im letzten Vortrag der aktuellen Saison der Historischen Vereinigung Zofingen gibt Rudolf Gamper einen Einblick in die Geschichts(er)findung Zofingens. Dabei zeigt er nicht nur auf, wie der Schultheiss Johann Rudolf Suter die Zofinger Geschichte erfunden hat, er erklärt auch, wie Quellenforschung zu Beginn des 18. Jahrhunderts funktioniert hat.

Eine bessere Geschichte Zofingens konstruiert

Als von 1693 bis 1695 die Stadtbibliothek gegründet und aufgebaut wurde, begann sich ein Dreigespann für die Zofinger Geschichte zu interessieren. Die drei Männer forschten in Urkunden, Dokumenten und Archiven und konstruierten aus diesen Erkenntnissen eine neue, andere Zofinger Geschichte. Insbesondere der Schultheiss Johann Rudolf Suter verlieh Zofingen eine geschichtliche Bedeutung, die die kleine Stadt so gar nie hatte. So sei Zofingen schon von den Helvetiern gegründet worden, die Hauptstadt des Aargaus gewesen und die Münzprägung war plötzlich ein wichtiges Standbein. «Aufgrund von einzelnen korrekten Anhaltspunkten hat Johann Rudolf Suter eine Geschichte konstruiert, die anders ist, als wir sie heute kennen», sagt Rudolf Gamper. Er hat die vergangenen zwei Jahre in der Stadtbibliothek die Handschriften ab dem 17. Jahrhundert katalogisiert. Dabei kamen ihm zwei dünne Bücher mit mehrfarbigem Einband in die Hände – die beiden Bücher, in denen Schultheiss Johann Rudolf Suter seine Version der Zofinger Geschichte festgehalten hat.

«Die Zofinger waren in jener Zeit nicht die Einzigen, die sich ihre Geschichte so zurechtgelegt haben, wie sie es wollten», erzählt Rudolf Gamper. Seit 45 Jahren betreibt er Historiografie und erforscht, wie alternative Geschichtsschreibung betrieben worden ist. So haben die Bayern beispielsweise ihre Herkunft bis auf Noah nachgewiesen und die Zürcher hatten plötzlich Verbindungen nach Vorderasien. Warum war es so einfach, alternative Geschichtsschreibung zu betreiben? Vielen Städten sei gemeinsam, dass sie in der Vergangenheit durch einen Brand oder durch Krieg fast vollständig zerstört worden seien, sagt Rudolf Gamper. So auch Zofingen: 1396 brannte die Stadt zu einem grossen Teil ab – und viele Aufzeichnungen sind dabei verloren gegangen.

Kurze Karriere als Münzpräger

Doch zurück zu Johann Rudolf Suters Geschichtsschreibung. Aus seinen geschichtlichen Erkenntnissen versuchte er flugs Profit zu schlagen: Aufgrund des Münzprägerechts, das Zofingen tatsächlich einmal besass, hat Johann Rudolf Suter abgeleitet, dass die Stadt auch Anfang des 18. Jahrhunderts noch befugt war, Münzen zu prägen. Also wurden die dafür nötigen Werkzeuge beschafft und losgelegt. Einzig: Den damaligen Herrschern, den Bernern, gefiel dies gar nicht. So musste Johann Rudolf Suter seine Münzprägerei bald wieder einstellen. Künftig wurden anstelle von Münzen nur noch Medaillen geprägt.