
Fall Crypto AG: Bekannte IT-Firma ist mit CIA-Unternehmen verbandelt
Die Beweislage ist erdrückend: Der amerikanische Geheimdienst CIA und der deutsche Bundesnachrichtendienst verkauften über die Zuger Firma Crypto AG jahrzehntelang manipulierte Chiffriergeräte und belauschten so über 100 Staaten rund um die Welt. Seit 1970 besassen die Geheimdienste das Unternehmen sogar. Jetzt zeigt sich: Die Infoguard AG, eine erfolgreiche Informatiksicherheitsfirma mit Sitz in Baar, ist eng verstrickt mit dem CIA-Tarnunternehmen.
Infoguard verkauft Geschäftskunden Lösungen für sichere Rechenzentren, geschützte Kommunikation mit Aussenstellen, Abwehr von Cyberangriffen oder Zugriffsschutz für IT-Systeme. Das Geschäft läuft gut: Mindestens 150 Personen arbeiten für das Unternehmen. Zu den bekannten Kunden zählen Sunrise, Generali, der Industriekonzern Oerlikon und mehrere Kantone. Infoguard baut für den Stromnetzbetreiber Swissgrid ein «Cybersecurity Operations Center» auf.
Diese Firma, die die sensibelsten Daten von Geschäftskunden schützen soll, ist eng verbandelt mit der CIA-Tarnfirma Crypto. Giuliano Otth, der letzte CEO der aufgelösten Crypto, bezeichnete Infoguard in einer Medienmitteilung vom Januar 2018 sogar als «Schwestergesellschaft». Im Handelsregister sind zahlreiche Überschneidungen zu sehen: Verwaltungsräte, die fast gleichzeitig bei der Crypto und Infoguard eingetragen werden oder Unterschriftenberechtigte, die zum gleichen Zeitpunkt die Crypto und Infoguard verlassen.
Auf Anfrage bestreitet Infoguard via Krisenkommunikationsbüro, irgendwelche Beziehungen zu Nachrichtendiensten zu haben oder gehabt zu haben. Die Sicherheitslösungen hätten keine Hintertüre für Geheimdienste und bestünden aus Standardkomponenten internationaler Hersteller. Der Sprecher schreibt, Infoguard sei 1988 als Joint Venture mit einem Schweizer Telecom-Unternehmen gegründet worden – den Namen der Firma will er nicht nennen. Zu dieser Zeit war die Crypto laut der SRF-Sendung «Rundschau» vollständig in der Kontrolle von CIA und Bundesnachrichtendienst. Seit einem Neustart 2001 ist Infoguard laut dem Sprecher eine «unabhängige Schwestergesellschaft der Crypto AG» und «personell getrennt». 2018 übernahmen Führungskräfte die Firma.
Handelsregisterdaten zeigen aber, dass bei Infoguard auch nach 2001 führende Personen der CIA-Firma Crypto die Fäden zogen. Rund ein dutzend Personen hatten seither gleichzeitig eine Unterschrifteneintragung bei Crypto und Infoguard. Zum Beispiel Robert Schlup, ein Anwalt, der ab 2002 bis 2019 simultan im Verwaltungsrat der beiden Unternehmen sass und jetzt wieder Mitbesitzer von Infoguard ist. Ebenso der Zuger FDP-Regierungs- und Nationalrat Georg Stucky. Er war von 2000 bis 2016 Verwaltungsrat der Infoguard, ab 2012 dessen Präsident. Ab 2002 präsidierte er die Crypto und war schon ab 1992 im Verwaltungsrat.
Stucky ist laut seiner Frau erkrankt und kann sich nicht mehr daran erinnern, was bei der Crypto war. Ein Sprecher von Schlup schreibt auf Anfrage: «Die in den Medien zitierten, uns nicht bekannten Dokumente decken Ereignisse bis Mitte der 90-Jahre ab. Robert Schlup wurde erst später für die Gesellschaft tätig.» Aufgrund der eigenen Aktenlage habe man keine Kenntnis davon, «dass die Gesellschaft bis im Jahre 2018 im Besitz der CIA und des BND war». «Washington Post», «ZDF» und die Rundschau des «SRF» berichten aber einmütig, die CIA habe die Crypto bis 2018 kontrolliert. Der ehemalige Crypto-CEO Otth wollte keine Stellung dazu nehmen, ob er wusste, dass die Crypto Geheimdiensten gehörte.
Ein Insider sagt, Infoguard habe auch Produkte von Crypto verkauft. Das Unternehmen bestätigt dies. Der Sprecher betont aber, dass die von Crypto für Infoguard entwickelten Produkte einen anerkannten 256-Bit-Verschlüsselungsalgorithmus beinhalteten: «Diese Systeme sind weder manipuliert noch mit Hintertüren versehen.»