Fall Rupperswil: Prozess gegen Polizeioffizier, weil er Details zum Tatablauf ausgeplaudert haben soll

Kurz vor Weihnachten 2015 klingelte Thomas N. in Rupperswil an der Türe einer Familie aus seiner Nachbarschaft und verschaffte sich mit einer Täuschung Zugang zum Haus. Er fesselte und knebelte die Mutter Carla Schauer, deren Söhne Davin (13) und Dion (19) und die Freundin Simona Fäs (21) des älteren Sohnes. Den jüngsten Sohn missbrauchte der pädophile Täter. Später schnitt er allen vier die Kehlen durch, goss Fackelöl über Möbel und Kleider und steckte das Haus in Brand.

Wenn es um den Täter geht, ist der grausame Vierfachmord von Rupperswil aufgeklärt und juristisch abgeschlossen. Im Juni dieses Jahres entschied das Bundesgericht endgültig: Thomas N. wird ordentlich verwahrt, eine Therapie erhält er nicht.

Bedingte Geldstrafe und Busse für Forensik-Chef gefordert

Dennoch laufen im Aargau heute noch Strafverfahren im Zusammenhang mit dem Fall Rupperswil. Recherchen der AZ zeigen nun: Ein Offizier der Kantonspolizei Aargau wird sich vor dem Bezirksgericht Baden verantworten müssen. «Die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau hat wegen mehrfacher Amtsgeheimnisverletzung und mehrfacher versuchter Anstiftung zu falschem Zeugnis gegen den Beschuldigten Anklage erhoben», sagt Sprecherin Fiona Strebel auf Anfrage.

Die Staatsanwaltschaft fordert für den Forensik- Chef laut Fiona Strebel eine bedingte Geldstrafe von 270 Tagessätzen und eine Busse von 5000 Franken.

Hintergrund der Anklage gegen den Forensik-Chef ist dessen Verhalten nach dem Mordfall. Nur wenige Personen wussten von Anfang an, wie die Tat genau abgelaufen war. Die Strafverfolgungsbehörden gaben bis zum ersten Prozess gegen Thomas N. vor Bezirksgericht Lenzburg im März 2018 keine Auskunft dazu. Erst mit der Anklageschrift wurde publik, dass der Täter seinen Opfern die Kehlen durchschnitt. Der angeklagte Polizeioffizier soll dieses Detail während der Ermittlungen seiner Frau erzählt haben, die später mit weiteren Personen darüber gesprochen habe.

Befragte wussten Details der Ermittlungen

Tatsache ist: Bei den Ermittlungen erwähnten Befragte, sie hätten gehört, dass den Opfern die Kehlen durchgeschnitten worden seien. Diese Information hätten sie vom Schwiegersohn des Polizeioffiziers. Dieser sagte, er habe die Details von seiner Schwiegermutter oder seiner Frau – Quelle der Information sei der Forensik-Chef. Die beiden Frauen sagten, sie hätten keine Details weitererzählt. Sie hätten nicht gewusst, wie die Tat ablief, der Polizeioffizier habe ihnen nichts verraten.

Der Schwiegersohn des Polizisten musste sich 2018 vor Bezirksgericht Lenzburg verantworten. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, er habe den Forensik-Chef zu Unrecht beschuldigt, Insiderwissen ausgeplaudert zu haben. Das Gericht sprach ihn aber vom Vorwurf der falschen Zeugenaussage frei. Danach wurde das Strafverfahren gegen den Forensik-Chef wieder aufgenommen. Wann der Prozess stattfindet, ist noch offen, für den Polizisten gilt die Unschuldsvermutung.