
Falsch abgerechnet: Das sagen Kanton und Politik
Ein Orthopädie-Chefarzt am Kantonsspital Baden (KSB) wurde wegen Verletzungen der Sorgfaltspflicht vom Verwaltungsrat verwarnt und muss dem Spital 44 783 Franken zurückzahlen (ZT/LN vom 12. Mai). Experten des Wirtschaftsprüfers PricewaterhouseCoopers (PwC) haben weit über 500 Operationen analysiert und stellten fest, dass bei mindestens 14 dieser Eingriffe zwischen dem 1. Januar 2015 und 28. Februar 2018 nicht korrekt abgerechnet wurde. Der Chefarzt habe aber weder in betrügerischer Absicht gehandelt noch sich bereichern wollen. «Er hat sich keiner juristisch strafbaren Taten schuldig gemacht», sagt KSB-Sprecher Omar Gisler. CEO Adrian Schmitter betont: «Die Qualität der medizinischen Versorgung und des Angebotes für die privat- und halbprivatversicherten Patienten gaben zu keinem Zeitpunkt Anlass zur Kritik.» Für Schmitter ist aber klar, dass zum Qualitätsanspruch seines Hauses nicht nur eine qualitativ hochstehende medizinische Betreuung der Patienten, sondern auch eine tadellose Administration mit einem transparenten und korrekten Abrechnungswesen gehört. «Insofern haben die Lehren aus den Vorfällen dazu beigetragen, die Qualität weiter zu verbessern», sagt Schmitter.
Informiert, aber nicht involviert
Das Kantonsspital Baden ist eine eigenständige Aktiengesellschaft. Eigentümer ist der Kanton. «Wir sind zeitnah über die Vorfälle informiert worden», sagt Barbara Hürlimann, Abteilungsleiterin Gesundheit beim Departement Gesundheit und Soziales (DGS). Danach sei der Kanton regelmässig über den Stand der Untersuchung sowie den Abschluss der Sonderprüfung und die getroffenen Korrekturmassnahmen informiert worden. Weil die Kantonsspitäler eigenständige Aktiengesellschaften seien, falle es in deren Verantwortung, entsprechende Massnahmen zu ergreifen. Es sei deshalb auch nicht zur Diskussion gestanden, dass das Gesundheitsdepartement die Vorfälle selber untersucht. Der Kanton schalte sich dann ein, wenn Vorfälle in einem Spital gesundheitspolizeilich relevant seien. «Zum Beispiel, wenn Patienten betroffen sind, Qualitätsauflagen nicht eingehalten werden oder es Hinweise gibt, dass systematisch falsch abgerechnet wird», sagt Hürlimann.
Der fehlbare Chefarzt ist seit 2007 am Kantonsspital Baden tätig. Untersucht wurden die Eingriffe ab dem Jahr 2015. Das sei ausreichend, um sich ein umfassendes Bild der Situation zu machen und Korrekturen einzuleiten, sagt KSB-Sprecher Gisler. Diese Einschätzung teilt Barbara Hürlimann. Die Sonderprüfung habe ergeben, dass im untersuchten Zeitraum keine betrügerische Handlung des Arztes vorliege und sich der Schaden für das KSB in Grenzen halte. «Es ist daher mit grosser Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dies auch für die Vorjahre zutrifft», sagt Hürlimann. Im Sinne eines Kosten-Nutzen-Verhältnisses gelte es abzuwägen, ob sich der Aufwand, auch noch die Vorjahre zu untersuchen, lohne. «Das KSB ist anscheinend zum Schluss gekommen, dass dem nicht so ist. Unter den gegebenen Umständen erscheint mir dies sachgerecht und verhältnismässig», sagt Hürlimann.
Für SVP-Grossrat Jean-Pierre Gallati ist der Fall abgeschlossen. Das KSB werde operativ und strategisch gut geführt und erreiche die vom Regierungsrat gesetzten Ziele. Trotzdem fände er es «sinnvoll, wenn die Untersuchung die ganze Zeit des Wirkens dieses Chefarztes umfassen würde. So könnten auch die allerletzten Zweifel hinsichtlich Bereicherungsabsicht ausgeräumt werden.»
Severin Lüscher (Grüne) findet, es brauche in diesem Fall «kein politisches Theater», er werde die Geschichte aber bei der Beratung des Spitalgesetzes im Hinterkopf haben. Weiter geht er davon aus, dass die Merkmale und Muster, die durch die externen Experten offengelegt wurden, durch das KSB selber für die Jahre seit 2007 überprüft und gegebenenfalls nachgebessert werden können. «Dies dürfte der effizienteste und günstigste Weg sein, und schon aus Compliancegründen muss das KSB daran interessiert sein, auch hier Klarheit zu schaffen.»
Weitere teure Prüfung sparen
Andre Rotzetter (CVP) hat den Fall nicht nur in den Medien verfolgt, sondern sich persönlich beim KSB über die Hintergründe erkundigt und zufriedenstellende Antworten erhalten. Rotzetter sieht keinen weiteren Handlungsbedarf. «Beim Vorgehen des Arztes ist keine Absicht erkennbar, er hat medizinisch korrekt gehandelt. Die Fehler waren administrativer Natur.» Es sei deshalb nicht notwendig, die Abrechnungen noch weiter zurück zu untersuchen. «Bei Verdacht auf Betrug hätte sich das aufgedrängt, aber so kann man sich weitere teure Sonderprüfungen sparen.» Martina Sigg (FDP) sieht das gleich. «Das KSB hat die Vorfälle gut aufgearbeitet. Es gab Abrechnungsfehler, aber sie waren nicht systematisch.» Für sie gibt es keinen Grund, die Abrechnungen vor 2015 für viel Geld zu prüfen.