Frankenmünzen: Wo Schweiz draufsteht, steckt Südkorea drin

Der Schweizer Franken, dieser Hort der Stabilität: Bräuchte man ein Symbol dafür, wären seine Münzen geradezu perfekt. Solange die Schweizer denken können, sehen sie gleich aus. Sie sind eine Konstante in einer immer komplizierteren Welt. Begriffe wie «Kontinuität» könnten für sie erfunden worden sein. Die meisten Staaten verändern ihre Münzmotive von Zeit zu Zeit. Nicht so die Schweiz.

Die hierzulande geprägten Umlaufmünzen in Franken und Rappen bilden die älteste noch verbreitete Münzserie der Welt. Seit nunmehr über hundert Jahren hat sich an ihrem Aussehen nichts verändert, der Zweifränkler wird sogar seit 1874 im gleichen Motiv mit der stehenden Helvetia hergestellt. Und selbst im Zeitalter digitaler Zahlungsmöglichkeiten erfreut sich Münzgeld grosser Beliebtheit: In den vergangenen fünf Jahren ist sein Umlauf jeweils angestiegen. Aktuell beläuft sich der Münzenumlauf auf rund sechs Milliarden Stück, was einem Betrag von über 3,4 Milliarden Franken entspricht.

Seit 50 Jahren kommen die Rohlinge aus dem Ausland

Bloss: Wo «Confoederatio Helvetica» oder «Helvetia» draufsteht, steckt schon lange nicht mehr Schweiz drin. Denn das Material, aus dem die Münzen zwischen Fünfräppler und Fünfliber geprägt werden, stammt aus dem Ausland. Seit 50 Jahren stellt die eidgenössische Münzstätte Swissmint in Bern keine eigenen Rohlinge mehr her. Sie bestellt die fertigen Münzplättchen bei ausländischen Lieferanten – ein Umstand, von dem die frankenverliebte Öffentlichkeit bis heute kaum Notiz genommen hat.

Was das genau bedeutet, zeigt ein Blick hinter die Kulissen der bundeseigenen Münzfabrik. Nach einer öffentlichen Ausschreibung hat Swissmint diesen Herbst sieben Lose für die Herstellung der Rohlinge vergeben. Alle gingen an den südkoreanischen Metallverarbeiter Poongsan. Ein Los bezieht sich jeweils auf eine der sieben Umlaufmünzen. Das Unternehmen muss die Rohlinge gemäss den «technischen Daten der kursfähigen Schweizer Münzen» abliefern. Abweichungen werden nicht geduldet. Die Umlaufmünzen bestehen heute aus einer genau vorgegebenen Kupfer-Nickel-Legierung. Dem Fünfräppler wird zusätzlich Aluminium beigemischt.

Das Los für die 8,8 Gramm schweren Münzrohlinge der Zweifrankenstücke umfasst beispielsweise eine Liefermenge von 43 Tonnen im Jahr 2021. Als Optionen sind ähnliche Mengen für die Folgejahre vorgesehen. Je nach Münze bestellt Swissmint zwischen 13 und 75 Tonnen Rohlinge. Das Volumen der aktuellen Aufträge beläuft sich auf rund 8,1 Millionen Franken.

Die Preise sind stark davon abhängig, was Kupfer und Nickel kosten. Als die beiden Rohstoffe vor einigen Jahren innert Monaten über 100 Prozent teurer wurden, musste Swissmint gar einen Nachtragskredit beim Bundesrat beantragen. Bei Auftragsvergaben richten sich die Behörden nach den Spielregeln des Beschaffungsrechts. Ab gewissen Schwellenwerten müssen Aufträge international ausgeschrieben werden. Für Münzen gelten da keine Ausnahmen – auch wenn ihre Ausgabe zu den urstaatlichen Aufgaben gehört.

Poongsan habe punkto Qualität und Preis das beste Angebot unterbreitet, heisst es im Zuschlagsentscheid. Swissmint vertraut seit 2012 auf die Firma, die ihren Sitz in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul hat. Laut eigenen Angaben beliefert es über 70 Prägestätten mit Münzrohlingen. Zuletzt habe man 2016 die Produktionsstätte in Korea besucht und kontrolliert, erklärt ein Swissmint-Sprecher. Ein Teil der Münzplättchen, die später in verarbeiteter Form im Portemonnaie von Herr und Frau Schweizer landen, stammt auch aus der Mint of Finland mit ihrer Produktionsstätte in Deutschland.

Wie viele Münzen in den Prägepressen hergestellt werden, hängt von der Bestellung der Nationalbank ab. Sie entscheidet über die Mengen, die neu in den Verkehr kommen. «Das Prägeprogramm kann von Jahr zu Jahr stark variieren», erklärt der Swissmint-Sprecher. Aktuell beträgt die Jahresmenge rund 280 Tonnen. Sechs Prägepressen stehen bei Swissmint in Bern im Einsatz, je nach Sorte kann eine Maschine pro Minute bis zu 750 Münzen prägen.

Der entscheidende Schliff passiert in Südkorea

Ihre Kraft ziehen die Schweizer Münzen mehr aus ihrer Beständigkeit als aus ihrem Nennwert; noch immer befinden sich etwa Zehn-Rappen-Münzen aus dem Jahr 1879 im Umlauf. Rein praktisch betrachtet, bekommen die Münzen den entscheidenden Schliff jedoch schon in der Fabrik in Südkorea. «Die meisten Eigenschaften der Münzen müssen bereits vom prägefertigen Münzplättchen erfüllt werden», heisst es bei Swissmint.

Die Angestellten der koreanischen Franken-Schmiede Poongsan schmelzen zunächst in Elektroöfen die benötigten Metalle. Nach einer Kontrolle im sogenannten Röntgenfluoreszenz-Spektrometer giessen sie Metallblöcke aus, die danach solange gewalzt werden, bis die daraus entstandenen Bleche die gewünschte Stärke erreichen. Aus den Blechbändern werden dann die Münzplättchen gestanzt, ihr Rand zu einem Wulst gestaucht. Einen solchen braucht es, damit später der Randstab – die Verdickung am Äusseren der Münze – genügend ausgeprägt werden kann. Damit soll die Prägung vor Abnützung geschützt werden.

Gut verpackt in speziellen Stahlcontainern, bringen Frachtschiffe die fertigen Münzplättchen übers Meer nach Europa. Dort werden die Rohlinge auf Rhein-Schiffe oder Bahnwaggons verladen und schliesslich per Camion zur Münzstätte nach Bern gebracht. Swissmint kontrolliert ihre Qualität beim Wareneingang. Nun fehlt den Rohlingen nur noch etwas, um ein gültiges Zahlungsmittel zu werden: ihr unverkennbares Gesicht.