Friede, Freude und ein Stück Fleisch

Wenn geschätzte 10 000 von 16 000 Zuschauern in der gleichen Oberbekleidung anreisen, die Luft nach einer Mischung aus den original Krummen, Raclette und Gegrilltem riecht, sich viele mehrere Male am Tag mit Trockenfleisch, Käse und Wein aus dem Rucksack verpflegen und das Testosteron beinahe spürbar ist, dann ist Unspunnen-Schwinget. Bereits um 7 Uhr in der Früh pilgern die Schwingfans in Scharen durch Interlaken in die Arena. Eine halbe Stunde danach findet der Einmarsch der Gladiatoren statt, später ertönt die Nationalhymne. Die Plätze sind restlos besetzt, von Müdigkeit trotz früher Stunde nichts zu spüren. Die Stimmung ist noch steigerungsfähig, aber zu keiner Zeit negativ gefärbt. Die eigenen Sägemehlathleten werden lautstark unterstützt, die Gegner aber nicht ausgebuht. Auf der Tribüne sitzen nur zu Beginn Wildfremde nebeneinander, unter Schwingfreunden ist man per Du und fachsimpelt auch mit «neuen Bekannten». Der Durst wird mit jedem Gang grösser, die Vorräte kleiner. Während des Nachmittags sind die Zuschauerränge meistens nicht mehr so gut gefüllt, die Festbänke hinter den Tribünen aber umso mehr – vor allem während des offiziellen Festakts. Schliesslich kann sich der Interessierte nach jedem Gang bei einem der Ranglistenkinder ein Zwischenklassement kaufen und sich so auf dem Laufenden halten. In der Mitte des Platzes wird Alphorn geblasen und gejodelt, was einige ausserhalb zum Anlass nehmen, sich auch in Stimmakrobatik zu üben. Unspunnen ist, wenn am Abend alle guter Laune – und manche sogar noch besserer – nach Hause gehen und alles ohne Konflikte über die Bühne gegangen ist.

 

Die Achillesferse stammt als Begriff aus der griechischen Mythologie: Sagenheld Achilleus war nur an der rechten Ferse verwundbar. Verletzliche Stellen im System sind auch Thema dieser Kolumne.