
Gamellen-Freunde kamen in Scharen zum Potaufeu-Schmaus in die Villa Dörfli
Am Tag vor der Bescherung, dem Fondue chinoise, der Weihnachtsgans, dem Braten oder was auch immer an der festlich dekorierten, heimischen Tafel aufgetischt wurde, versammelten sich im Hinterhof des Restaurants Villa Dörfli um die Mittagszeit so viele Gäste wie noch nie. Sie stärkten sich mit einem währschaften Potaufeu – über 400 Portionen gingen weg – aus der Alu-Gamelle, diesem bei «Füsu ond Co.» verhassten Relikt, das ein Revival erlebt. «Dörfli-Beizer» Lorenzo Villa und Co. hatten ihre Hausaufgaben gemacht, was die vielen Potaufeu-Liebhaber erfreute und sie mit Heisshunger und guter Laune goutierten.
Ganz im Gegensatz zum Potaufeu im Militär, als des öfteren eine Kuh im allerhöchsten Rentneralter herhalten musste, wurde nur allerbestes Fleisch verwendet. So war es nicht verwunderlich, dass einst ein Dienstkollege des Schreibenden den Küchenchef ketzerisch fragte, wie lange er denn die Gamaschen in der Suppe habe kochen müssen bis diese gar waren …
Apropos Potaufeu: «Spatz und Potaufeu sind dann nicht dasselbe», korrigierte einst ein alter Füsilier eine Gruppe Jugendliche. «Potaufeu ist mit viel Gemüse und Siedfleisch angereichert; ein richtiger Spatz ist eine Suppe mit Siedfleisch.» Damit wäre auch diese Wissenslücke definitiv aufgearbeitet.
Seit über 100 Jahren gehört die Gamelle zur Grundausrüstung der Soldaten. Altgedienten Wehrpflichtigen dürfte die Gamelle (laut Duden Koch- und Essgeschirr der Soldaten) in eher unangenehmer Erinnerung geblieben sein. Das sperrige Ding musste nicht nur bei jedem gefechtsmässigen Einsatz mitgetragen, sondern auch peinlich sauber gehalten werden. Und das war beim häufigen Gebrauch «im Feld», etwa in der Verlegung in der RS oder bei Manövern im WK, gar nicht so einfach. Jeder Feldweibel, der seinen Mannen wieder einmal den Tarif durchgeben wollte, fand bei der Sauberkeitsinspektion mit Sicherheit eine Rille oder Ritze, die nicht ganz blank geputzt war. Dazu Roland «Gefi» Gueffroy, Motorradfahrer bei den «Wettersoldaten»: «In der RS, die ich in Dübendorf absolvierte, wurde ich zur Sonntagswache verknurrt, weil das Scharnier am Gamellendeckel nicht sauber war.»
Nur schöne Erinnerungen an seine Gamelle hat der 73-jährige ehemalige, erfolgreiche Oftringer Waffenläufer – über 300 Starts – und Militärfahrradrennfahrer, Hanspeter «Balz» Baltisberger: «Meine Gamelle war stets sauber. Als Motorradfahrer hatte ich das grosse Privileg, einen Plastikteller dabei zu haben.»
In der Schweizer Armee wurde die Gamelle 1898 eingeführt und wird bis heute verwendet. In all den Jahren ihrer Existenz hat sich die Gamelle aber immer wieder etwas verändert. Zur Gamelle gehören zusätzlich ein Löffel und eine Gabel, die ebenfalls für die Aufbewahrung verbunden werden können.
Ursprünglich ein Klassiker aus Nordfrankreich
Von überall her kamen sie, die Liebhaber eines währschaften Potaufeus. Potaufeu stammt übrigens aus dem Französischen und heisst «Topf auf dem Feuer» und ist ein klassischer Eintopf der ländlichen Küche Nordfrankreichs, bestehend aus Rindfleisch und Gemüse wie Möhren, Mairüben, Sellerie und Zwiebeln. Beim Kochen entsteht auch eine deftige, gesunde und feine Brühe mit viel Eiweiss. Gewöhnlich werden im Potaufeu-Herkunftsland unterschiedliche Rindfleischstücke wie Rinderbacken, Rinderzunge, Hochrippe, Brust und ähnliche, verhältnismässig preisgünstige Fleischsorten verwendet.
Ein Potaufeu ist zweifellos eine vollwertige Mahlzeit und war und ist bei den Soldaten beliebt. Jeder Kadi weiss, dass leere Soldatenmägen nicht Leistungsfördernd sind. Daher stammt wohl der Spruch «Ohne Mampf kein Kampf!»
Nach «Grossoffensive» waren rund 400 Potaufeu-Portionen weg
Am Abend zuvor und in aller Herrgottsfrüh am Tag der Veranstaltung wurde von der Villa-Dörfli-Köchin Therese Bellmont während Stunden gerüstet, gekocht, geschält, gehobelt, geraffelt und alles Notwendige zu- und vorbereitet. Therese Bellmont mit leichten Handgelenkschmerzen vom unermüdlichen Gemüserüsten: «Für unser zünftiges Potaufeu benötigen wir Kabis, Rüebli, Sellerie, etwa 10 Kilo Zwiebeln, Lauch, Kohl, 50 kg Kartoffeln und 85 kg gewürfeltes bzw. mundgerecht verkleinertes erstklassiges Rindfleisch.»
Die Arbeit der jungen Köchin mit etwas Unterstützung ihres Chefs Lorenzo Villa sollte sich gelohnt haben, denn das Potaufeu war wieder «erste Sahne». Ruth Finger aus Zofingen: «Das Potaufeu ist einfach perfekt gemacht. Die Frische ist spürbar und die Konsistenz ausgezeichnet.» Gleicher Meinung war auch Potaufeuschmaus-Stammgast Bruno Giger, Vizekommandant der Stützpunkt-Feuerwehr Zofingen: «Ich komme immer gerne nach Rothrist, um eine oder zwei Portionen Potaufeu zu geniessen.»
Im Dienst, während den legendären Gefechten auf dem «Füsu-Hausberg», dem Glaubenberg, mussten die Soldaten, sobald Sturmgewehr- und Rakrohrmunition alle waren, melden: «Hauptmann, melde ausgeschossen.» Potaufeumässig war nach der ersten Grossoffensive die Dörfli-Crew zum Glück nicht ausgeschossen. Über 400 Portionen wurden insgesamt weggeputzt. Das ist neuer Rekord. – Die über 110 Jahre alte fahrbare Militärküche, von Lorenzo Villa liebevoll «Lady» genannt, zeigte sich fit und leistungsfähig wie eh und je. Nun wird das nostalgische Gefährt, das mitsamt viel Zubehör und Gamellen Lorenz Villa gehört, für ein Jahr eingemottet. Der Anlass war eine vollauf gelungene, urgemütliche Sache, hinter der ein grosses Engagement des Wirtes und seiner beachtlichen Helferschaft standen.