Gebt mir meine Hitparade zurück!

Vor zehn bis 15 Jahren sass ich noch fast jeden Sonntagnachmittag vor dem Radiogerät. Chartstürmer waren damals schillernde Namen wie Justin Timberlake, Nelly Furtado, Madonna oder Coldplay. In den Geburtsstunden der Hitparade gegen Ende der 60er-Jahre hörte man die Beatles oder die Bee Gees in der legendären Sendung «Bestseller auf dem Plattenteller». Lauscht man heute der Hitparade, trifft man abgesehen vom Überflieger «079» des Berner Mundartduos Lo&Leduc mehrheitlich auf Titel von Rappern und DJs. Diese werden an privaten Partys am Wochenende pausenlos in Playlists gestreamt. Seit 2014 hat dies in der kleinen Schweiz einen grossen Einfluss auf die Hitparade. Seit dann wird für die Ehrhebung nämlich auch die Zahl der Streamings auf Plattformen wie Apple Music und Spotify berücksichtigt. Nun schaffen es die polarisierenden Songs in die Hitparade – und nicht mehr die guten. Bestes Beispiel ist der Track «Ave Maria» der beiden Deutschrapper Kollegah und Farid Bang, welcher im letzten Dezember Platz 15 erreichte. Darin enthalten ist eine höchst frauenverachtende Zeile. Der skandalöse Songtext wurde in den Medien breit diskutiert. Und natürlich wollten sich die Leute – angestachelt von der Thematik – den Song anhören. Dies mit der Konsequenz, dass er weiter gepusht wurde. Ob das der Wille aller Streamenden war, ist fraglich. Ebenso wie der strittige Punkt, ob es der Song auch aufgrund der Verkaufszahlen in die Hitparade geschafft hätte. Wohl eher nicht. Natürlich kann nicht jeder Song den persönlichen Geschmack treffen. Trotzdem wünsche ich mir jene Hitparade zurück, bei der die Inhalte tatsächlich noch Hits waren.