«Gefährdet wäre die Spitex AG durch einen Austritt Oftringens nicht»

Seit dem 1. Januar 2019 werden die Spitex-Leistungen in sieben Gemeinden von der neu gegründeten Spitex Region Zofingen erbracht. Aktionäre sind Brittnau, Murgenthal, Oftringen, Rothrist, Strengelbach, Vordemwald und Zofingen. 

Aarburg ging einen anderen Weg. Die Stimmberechtigten sprachen sich 2017 gegen die regionalisierte Spitex aus, der Leistungsauftrag ging an einen anderen Anbieter, die Spitex Lindenpark in Oftringen. Dadurch sanken die Kosten in Aarburg deutlich, während sie in den Gemeinden der Spitex AG deutlich stiegen. Der Gemeinderat Oftringen erwägt nun den Austritt aus der Spitex AG. Er möchte die Leistungen neu ausschreiben und hat dazu für den 27. September einen Urnengang angesetzt. Die Spitex Region Zofingen AG sei durch einen möglichen Austritt Oftringens nicht gefährdet, sagt deren Verwaltungsratspräsident Christian Reize im Interview mit dem Zofinger Tagblatt. 

 

Herr Reize, Oftringen will den Austritt aus der Spitex Region Zofingen AG prüfen. Falls es so weit kommt: Was bedeutet dieser Schritt für die AG? Ist sie damit gefährdet? 

Wir müssten uns anpassen, aber gefährdet wäre die Spitex AG sicher nicht. Die Gemeinden haben unter sich einen Aktionärsbindungsvertrag geschlossen. Die Leistungsvereinbarung für sie ist verpflichtend. Träte Oftringen aus, müsste die Gemeinde entsprechend ihre Aktien abtreten. ​​​​​​ 

Gibt es andere Gemeinden, die ähnliche Pläne angekündigt haben? 

Wir haben keine Informationen, wonach andere Gemeinden ähnliche Absichten haben. Die Idee, dieses Konstrukt ins Leben zu rufen, war, Synergien in der Region zu nutzen. Diese Synergien haben sich unter anderem während der Corona-Pandemie erstmals entfalten können. Wir konnten auch inhaltlich gut darauf reagieren. 

Obwohl der Gemeinderat Oftringen das nicht schreibt: Die Abstimmung über ein allfälliges Submissionsverfahren ist auch ein Misstrauensvotum. Sehen Sie das anders? 

Das würde ich nicht so sagen, wir nehmen das nicht als Misstrauensvotum wahr. Der Gemeinderat hat im Communiqué erwähnt, dass wir gute Arbeit machen. Auch im direkten Austausch mit Oftringen haben wir nichts gehört, wonach man mit uns nicht zufrieden wäre. Die Ausschreibung ist legitim. Wir finden den Zeitpunkt nicht sehr glücklich gewählt. Wir haben das erste Jahr hinter uns und sind im Business-Plan auf Kurs. Ausserdem wird das Pflegegesetz demnächst angepasst. Wenn man etwas zusammenlegt, braucht es eine gewisse Zeit, bis die Optimierungen voll funktionieren. Zudem: Wenn man nach WTO ausschreibt – also international – und ein neuer Player nach Oftringen käme, brächte dies auch gewisse Risiken mit sich. Eine solche Ausschreibung ist übrigens auch nicht ganz günstig. 

Auslöser für den Schritt Oftringens sind die Kosten, die den Gemeinden verrechnet werden. Diese waren 2019, im ersten Betriebsjahr der AG, teilweise massiv höher als 2018. Versprochen wurden aber Kostenoptimierungen. Eingetreten ist das Gegenteil. 

Man muss diese Diskussion in den Rahmen der Strategie «ambulant vor stationär» setzen. Dass man also durchaus Mehrkosten im ambulanten Bereich in Kauf nimmt und andererseits im stationären Bereich Kosten spart. Je mehr Leistungen wir erbringen, desto teurer wird es für die Gemeinden. Wir haben im ersten Jahr deutlich mehr Leistungen erbracht, als dies vorher der Fall war. Über uns sind auch Pro-Senectute-, Kinder-Spitex- und Palliativleistungen gelaufen. Zudem hatten wir im ersten Jahr Aufwendungen für die Fusion. Wenn man es herunterbricht und die Spitex als Gesamtorganisation anschaut, dann sind wir klar auf Businessplan-Kurs. Im 2018 haben die Spitex-Vereine zudem unter anderem ihre Vereinsvermögen aufgelöst, was sich positiv auf die Kosten dieses Jahres auswirkte. 

Nochmals: Wenn man die Spitex-Positionen in den Gemeinderechnungen von 2018 und 2019 vergleicht, dann sind die Positionen im letzten Jahr teilweise massiv höher. 

Wenn man es wirklich vergleichen will, muss man zu den Gemeinderechnungen 2018 noch andere Positionen hinzurechnen, beispielsweise auch Hauswirtschaftsleistungen, die vorher direkt flossen. Die Positionen Spitex 18 und Spitex 19 sind zwei verschiedene Paar Schuhe, die man nicht direkt miteinander vergleichen kann. 

Gerade die Hauswirtschaftsleistungen sind umstritten. In anderen Gemeinden werden sie zwar angeboten, aber nichts daran bezahlt. 

Es ist unklar, wie stark sich die Gemeinden beteiligen müssen. Es liegt an den Gemeinden, was sie den Bürgerinnen und Bürgern als Service anbieten. Es stimmt: In unseren Gemeinden ist das ein Thema, ob es diesbezüglich einen Mittelweg gibt. 

Kritisiert wird auch, dass die Gemeinden eine Art «Defizitgarantie» leisten müssten und keine klare Leistungsvereinbarung hätten. 

Wir sprechen von einer Restkostenfinanzierung; dafür wird oft das Synonym Defizitgarantie verwendet. Das stimmt nur partiell. Die Kosten stehen relativ zur Leistung. Mehr Leistungen kosten mehr. Wir wollen und können die Leistungsmenge nicht direkt steuern, vor allem, wenn die Strategie «ambulant vor stationär» fruchten soll. Man muss eigentlich froh sein, wenn man mehr Spitex-Leistungen hat, dann spart man im teureren, stationären Bereich. Uns sind die Kosten pro Leistungen ein grosses Anliegen, wir versuchen, sie tief zu halten. 

Welche Optimierungen wurden diesbezüglich bereits eingeleitet, welche sind geplant? 

Wir haben einen gemeinsamen Einkauf, eine gemeinsame IT und eine gemeinsame elektronische Fall-Dokumentation. Und wir haben bereits die Stützpunkte angepasst – im Rahmen unserer Möglichkeiten. Die Gemeinden wollten ja die Stützpunkte belassen und zusätzlich eine zentrale Verwaltung aufbauen. In Strengelbach haben wir den Stützpunkt bereits gewechselt und verkleinert; in Oftringen sind wir dran. Dort sind wir wegen der Kündigungsfrist noch gebunden. Optimiert haben wir auch in der Logistik, konkret in der Material- und Medikamentenbestellung. 

Eine Schliessung von Stützpunkten ist also nicht geplant? 

Nein. Im Moment sind wir diesbezüglich auch klar gebunden. 

Der Öffentlichkeit wurde noch kein Geschäftsbericht 2019 vorgelegt. Wird das nachgeholt? 

Wir haben unsere Pflichten erfüllt und die Aktionäre informiert. Den Jahresbericht halten wir bewusst schlank, nicht zuletzt mit dem Blick auf die Kosten. Ausserdem hat uns die Pandemie in Atem gehalten, deshalb kommt es zu Verzögerungen. Es wird einen kleinen Jahresbericht geben, den wir auf der Homepage aufschalten werden, voraussichtlich im Laufe des Augusts oder des Septembers. 

Braucht eine nichtgewinnorientierte AG wirklich einen fünfköpfigen VR? 

Grundsätzlich hat das nicht der Verwaltungsrat der Spitex Region Zofingen AG definiert. Es ist im Aktionärsbindungsvertrag so festgehalten. Die Zusammensetzung hat sich sehr gut bewährt, gerade für den recht aufwendigen Start. Die Gründergemeinden wollten einen fachlich breit aufgestellten und diversifizierten Verwaltungsrat, mit den entsprechenden Kompetenzen. 

Können Sie sagen, wie der VR entschädigt wird? 

Ich würde es so beantworten: Basis ist das von den Aktionären verabschiedete Reglement. Wir arbeiten mit einer Pauschale und Sitzungspauschalen, diese sind im bescheidenen Bereich. Die Motivation, im VR Einsitz zu nehmen, ist nicht das Honorar. 

Werden Sie die Zahlen im Jahresbericht ausweisen? 

Nein, dazu sind wir nicht verpflichtet. Wir weisen auch die Löhne der einzelnen Mitarbeiter nicht aus. Wir können aber mit bestem Gewissen dahinterstehen. Die VR-Honorare halten sich in bescheidenem Mass. 

Zur Person

Dr. Christian Reize studierte in Zürich Medizin, arbeitete danach als Assistenzarzt und bekleidete Stabsstellen an verschiedenen Spitälern. Im Juli 2004 schloss er an der Universität St. Gallen den Executive Master of Business Administration ab. Zwischen 2010 und Ende 2013 war er Finanzchef und stellvertretender Direktor am See-Spital in Zürich; von März 2014 bis Ende letzten Jahres war er CEO der Spital Zofingen AG. Zurzeit betreut Reize diverse Mandate im Bereich Gesundheitswesen.