
Gemeinderätin Cellarius: «Kompetenz ist keine Frage des Alters»
ZUR PERSON
Aufgewachsen in Zofingen
Sandra Cellarius ist studierte Juristin und selbstständige Unternehmerin im Weinhandel. Aufgewachsen ist die 32-Jährige in Zofingen. Seit drei Jahren lebt sie gemeinsam mit Ehemann René in Pfaffnau. Dort ist sie seit letztem August im Gemeinderat. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten gemeinsam mit Hund Spike und Pferd Dolcetto sowie beim Skifahren in den Bergen.
Frau Cellarius, Sie sind seit August Gemeinderätin in Pfaffnau. Zuvor hatten Sie angekündigt, Ihre Attribute einbringen zu wollen: jung, weiblich, fachkompetent. Konnten Sie Ihr Ziel bereits umsetzen?
Sandra Cellarius: In einer ersten Phase musste ich mich zuerst einarbeiten. Von Beginn weg wartete in meinen Ressorts Finanzen und Bildung ziemlich viel Arbeit auf mich. Da waren beispielsweise die Umstellung auf das neue Rechnungsmodell HRM2 und eine neue Schulleitung, die sich ebenfalls zuerst einarbeiten musste. Das Gute daran ist, dass der neue Schulleiter ebenfalls ziemlich jung ist. Wir können gut miteinander kommunizieren. Kleine Probleme lösen wir beispielsweise ad hoc über WhatsApp. Im Bereich Bildung konnte ich mich schon sehr einbringen.
Haben Sie ein Beispiel?
Eines meiner ersten Projekte ist, dass ich die Kompetenzen im Ressort Bildung genau aufteilen will. Damit Schulleitung, Bildungskommission und ich als Bildungsvorsteherin genau wissen, für was sie zuständig sind. Ich lege grossen Wert darauf, dass wir uns bis Ende Schuljahr in Sachen Aufgabenteilung einig sind. Auch bei der Struktur der Gemeindeversammlung konnte ich mich als Ressortverantwortliche Finanzen einbringen, was an der letzten Gemeindeversammlung bereits umgesetzt wurde: Jeder Gemeinderat stellt sein Ressort-Budget selbst vor. Denn letztlich muss er oder sie für die Zahlen geradestehen. Früher war das eine One-Man-Show.
Wie kommen solche Reformen im Gemeinderat an?
Das ist kein Reformprojekt, sondern einfach eine andere Herangehensweise. Es kann sein, dass sich vielleicht der eine oder andere gewünscht hätte, nicht so prominent an der Gemeindeversammlung auftreten zu müssen. Aber der Vorschlag wurde insgesamt sehr positiv aufgenommen und umgesetzt. Wir haben übrigens einen altersmässig gut durchmischten Gemeinderat: Die Bandbreite reicht von 30 bis 65 Jahren. Das ist sicher eine gute Mischung.
Viele Gremien sind männerdominiert. Höchstens im Ressort Soziales nehmen Frauen Einsitz.
Meiner Erfahrung nach ist mein Geschlecht weniger ein Thema als mein Alter. Diesbezüglich gibt es vielleicht eher einmal eine kritische Stimme. Ich antworte dann jeweils: Kompetenz ist keine Frage des Alters, sondern der Erfahrung. Ich musste im familiär geprägten Unternehmen sehr früh Verantwortung übernehmen und schwierige Entscheidungen treffen. Denn im Weinhandel gab es starke Umbrüche in den letzten zehn Jahren. Ich konnte mir in dieser Zeit einen Rucksack zusammenstellen und bin für viele Herausforderungen gewappnet. Fachlich kann man sich hingegen überall einarbeiten, glaube ich. Wichtig ist zudem, eine eigene Meinung zu entwickeln und dahinter zu stehen. Damit man nicht ein Fähnlein im Wind ist und in schwierigen Zeiten seine Frau stehen kann. Ob man jetzt eine Frau oder ein Mann, 30 oder 40 Jahre alt ist, spielt keine Rolle.
Wie war für Sie der Wechsel von der privaten zur öffentlichen Person?
Das ist schon ein Unterschied. Ich bin mir aus meinem Berufsleben grundsätzlich gewohnt, dass ich selbstständig entscheiden und auch entsprechend kommunizieren kann. Als Gemeinderätin bin ich nun Teil eines Gremiums, das Entscheidungen gemeinsam fällt. Daran musste ich mich zuerst gewöhnen und mir auch jeweils selbst die Frage stellen: Was wird von mir erwartet aus Gemeindesicht und was will ich selber sagen, denn ich habe natürlich nach wie vor eine eigene Meinung. Das einheitliche Bild des Gemeinderates nach aussen finde ich unglaublich wichtig. Hier sehe ich Parallelen zu meinem Unternehmen: Die Verantwortlichen müssen gemeinsam eine Richtung vorgeben und sich daran halten. Alles andere führt zu Verunsicherung.
Konnten Sie Ihr Pensum von 27 Prozent einhalten?
Nein, chancenlos. Die Einarbeitung ist aufwendig, das ist klar. Das ist bei vielen anderen Jobs aber auch so. Mittelfristig werde ich das aber sicherlich mindestens teilweise kompensieren können.
Wieso entscheidet man sich trotz eines solchen Aufwands, so ein Amt zu bekleiden?
Ich war politisch schon immer interessiert. Als sich die Chance angeboten hat, habe ich ziemlich spontan zugesagt. Ich übernehme gerne Verantwortung und bringe mich ein. Es ist sicherlich von Vorteil, dass ich als Unternehmerin meine eigene Chefin bin, so kann ich flexibler arbeiten und bin niemandem Rechenschaft schuldig. Die Komplexität auf Gemeindeebene wird indessen nicht kleiner. Die Regulierung nimmt von Jahr zu Jahr zu, an die Exekutivbehörden werden immer höhere Anforderungen gestellt. Damit wird es eine Frage der Zeit sein, wie lange das im Milizsystem noch geht.
Sie sind in Zofingen aufgewachsen, haben in Basel studiert. Seit drei Jahren leben Sie in Pfaffnau. Wieso sind Sie erst jetzt in die Politik?
Ich war vorher beruflich sehr stark eingebunden. Mein Mann und ich haben uns vor drei Jahren in Pfaffnau niedergelassen, quasi in meiner Heimat. Auch in Basel gab es zuvor schon Anfragen für den Grossrat. Ich wusste aber schon damals: Ich will zurück nach Hause.
Jetzt sind Sie also sesshaft geworden. Kandidieren Sie deshalb auch für den Kantonsrat?
Es gibt verschiedene Themen, die ich auf kantonaler Ebene einbringen möchte. Ich vertrete eine klar liberale Linie und stehe ein für die Interessen des Gewerbes. Zudem bin ich absolut überzeugt: Wir brauchen mehr Frauen in der Politik und es ist unsere Verantwortung, uns einzubringen. Es ist nicht damit getan, die gleichen Rechte zu haben – wir müssen sie auch wahrnehmen. Ich habe den Eindruck, in meiner Altersklasse geht die Tendenz wieder in eine andere Richtung: Wir Frauen bleiben wieder vermehrt zu Hause und schauen zu den Kindern. Das ist völlig legitim, aber wir sollten auch im Hinterkopf behalten, dass der Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt mit jedem Jahr schwieriger wird. Ich will diese Sensibilität wecken und Frauen dazu ermutigen sowohl in der Privatwirtschaft als auch in der Politik mehr Verantwortung zu übernehmen.