
Gemeinderätin Ruth Stauch: «Ich war gerne Schulpflegerin»

ZUR PERSON
Geboren in Deutschland, seit 30 Jahren in Oftringen wohnhaft. Und seit 2017 sitzt Ruth Stauch im Gemeinderat. Unter anderem ist sie für die Schule zuständig. Davor war die 54-Jährige acht Jahre in der Schulpflege. Zudem war die Mutter zweier erwachsener Söhne in der Integrations- und der Jugendkommission. Sie engagierte sich auch im Verein Schule und Elternhaus sowie im Obristhof.
Frau Stauch, Sie sind eine waschechte Milizpolitikerin, Sie engagieren sich seit Jahren für die Gemeinde: Im Verein Schule und Elternhaus, im Obristhof, in der Integrationskommission, der Jugendkommission, in der Schulpflege, nun als Gemeinderätin. Was treibt Sie an?
Ruth Stauch: Ich engagiere mich gerne zum Wohl aller. Wenn man bei diesem Engagement auch etwas erreicht, treibt das schon an.
Waren Sie gerne Schulpflegerin?
Ja, ich war sehr gerne Schulpflegerin. Ich war es acht Jahre lang und fand es ein wahnsinnig interessantes, vielfältiges Gebiet. Und ich merkte: Wenn man einen guten Draht zu Schulleitung und Gemeinderat hat, kann man etwas erreichen. Wir haben in dieser Zeit zum Beispiel Blockzeiten eingeführt oder ein Informatikkonzept erstellt.
Nun steht aber dieses Gremium vor dem Aus. Befürworten Sie die Abschaffung der Schulpflege, über die der Kanton am 17. Mai abstimmt?
Ich bin für die Abschaffung. Es ist einfach an der Zeit. Die Schulen haben sich entwickelt und die Schulleitungen wurden stark professionalisiert. Die Anforderungen an eine heutige Schulleitung sind ganz andere als an ein Rektorat.
Was ist denn so viel herausfordernder als früher?
Das Qualitätsmanagement zum Beispiel war früher gar kein Thema. Da gibt es heute klare Vorgaben des Kantons. Die Schule sollte sich regelmässig kontrollieren und evaluieren. Die pädagogische Führung hat ebenfalls enorm an Bedeutung gewonnen.
Man schaut den Lehrern häufiger auf die Finger?
Ja, es geht dabei um Unterrichtsentwicklung. Schulleiter machen Klassenbesuche und schauen, wie sie ihre Mitarbeiter entwickeln können. Es findet eine professionelle Personalführung statt.
Die Schulpflege war immer das Führungsgremium, das letztlich über Personalfragen entscheidet. Warum braucht es dieses nicht mehr?
Faktisch macht die Schulleitung heute die Rekrutierung der Lehrpersonen, führt die Anstellungsgespräche – das war schon zu meiner Zeit in der Schulpflege so. Im Normalfall hat die Schulpflege die Person nicht gesehen, wenn sie über deren Anstellung befindet. Das wäre an einer solch grossen Schule wie Oftringen auch gar nicht möglich. Die Schulpflege unterschreibt einfach noch den Arbeitsvertrag. Das könnte auch gut die Schulleitung machen.
Woran sahen Sie in Ihrer Arbeit, dass Sie als Schulpflegerin eigentlich überflüssig werden?
Das Kernproblem ist, dass Verantwortung und Kompetenzen nicht am gleichen Ort sind. Die Schulpflege führt die Schule strategisch. Aber sobald die Entscheide finanzielle Folgen haben, kommt der Gemeinderat ins Spiel. Und viele Entscheide der Schulpflege haben finanzielle Folgen. Dann ist das immer ein Aushandeln. Und obwohl die Schulpflege im Organigramm auf der selben Stufe wie der Gemeinderat steht, und dieser bei den Entscheiden der Schulpflege eigentlich nicht reinreden sollte, ist es oft so, dass der Gemeinderat das letzte Wort hat. Das geht nicht mehr auf. Es ist eine Hierarchiestufe zu viel.
Nun mal provokativ gesagt: Sie wollen als Gemeinderätin nun einfach die Macht an sich reissen.
Nein. Es kommt auch viel Arbeit auf den Gemeinderat zu, der das Ressort Schule hat. Es geht auch nicht um mich persönlich, denn ich bin irgendwann nicht mehr Gemeinderätin. Zudem fällt der Gemeinderat ja die Entscheide auch im Gremium.
Gegner sagen, es werde nicht billiger, sondern teurer. Man müsse Schulleitungen aufstocken.
Ich kann das auch nicht abschliessend beantworten. Es ist sicher nicht völlig kostenneutral.
Kann man in einer Gemeinde wie Oftringen die Schule als Gemeinderätin im Nebenamt noch führen?
Das kommt auf die Ausgestaltung an. Der Gemeinderat könnte per Reglement Kompetenzen an die Schulleitung delegieren. Es wäre im Interesse des Gemeinderates, wenn zum Beispiel das Disziplinarwesen oder die Laufbahnentscheide der Schüler an die Schulleitung delegiert würden.
Bräuchte es in Oftringen für den Gemeinderat mehr Stellenprozente?
Es bräuchte wohl schon eine kleine Aufstockung.
Ist eine Abschaffung nicht einfach auch Demokratieabbau?
Der Gemeinderat ist ja auch eine gewählte Behörde! Und die meisten Leute in Oftringen kennen die Mitglieder der Schulpflege nicht. Es gibt zudem auch Gemeinden, die Mühe haben, Schulpfleger zu finden.
Was ginge verloren mit der Abschaffung der Schulpflege?
Die Aussensicht ginge etwas verloren. Aber in meinen acht Jahren in der Schulpflege kam es vielleicht zehn Mal vor, dass wir aufgrund unserer Aussensicht einen Entscheid anders gefällt haben, als es die Schulleitung vorschlug. Und auch ein Gemeinderat bringt ja diese Aussensicht mit.
Der Verbandspräsident der Schulpflegen sagt, die Schule verliert ihre Lobby, wenn man die Schulpflegen abschafft.
Ich bin überzeugt, dass auch die Schulleitungen ihre Schule gut gegenüber dem Gemeinderat vertreten können.
Ist die Oftringer Schule gut geführt?
Ja, sehr gut.
Es ist also ein wenig ein Widerspruch: Die Schule ist heute gut geführt und trotzdem wollen Sie die Schulpflege abschaffen.
Es ist kein Widerspruch. Die Schule ist gut geführt, aber es ist eine Führungsebene zu viel.
Was wäre der wichtigste Job als Gemeinderätin?
Die Personalführung der Schulleitung. Und ein Lobbying für die Schule betreiben.
Was war Ihr schwierigster Entscheid als Schulpflegerin?
Emotional schwierig war immer, wenn Eltern mit einem Entscheid für Sonderschulsettings nicht einverstanden waren. Aber wir haben mit den Eltern immer eine Lösung gefunden. Es ist auch meist keine Endstation. Die schönsten Entscheide waren auch jene, wenn ein Schüler aus einer Klein- oder heilpädagogischen Klasse zurück in die Regelklasse konnte.
Schulpflegen abschaffen
Die Aargauer Regierung hat dem Grossen Rat eine Botschaft unterbreitet, in der sie vorschlug, die Schulpflege an der Volksschule abzuschaffen. Im Kantonsparlament wurde dies intensiv diskutiert und am 12. Dezember mit 105:25 Stimmen so beschlossen. Die Aufgaben der Schulpflege sollen per 2022 dem jeweiligen Gemeinderat übertragen werden. Weil der Rat mit 38 Ja-Stimmen auch das von Harry Lütolf (CVP) geforderte Behördenreferendum guthiess (dafür braucht es im Rat mindestens 35 Stimmen), gibt es darüber eine Volksabstimmung. Sie findet aller Voraussicht nach am 17. Mai 2020 statt. (mku/jow)