
Generalversammlung: «Wir haben keine kapitalistische Struktur»
An der Generalversammlung der Raiffeisenbank Reitnau-Rued sagte Verwaltungsratspräsident Hans Ulrich Ziswiler, der Fall Pierin Vincenz habe ihn masslos wütend gemacht. Natürlich gelte die Unschuldsvermutung. Dennoch: Das Bemühen um Distanzierung vom ehemaligen Vorsitzenden von Raiffeisen Schweiz ist offensichtlich.
Die Bank geniesst weiterhin das Vertrauen ihrer Mitbesitzer. Im letzten Jahr ist die Zahl der Mitglieder dank 328 Neu-Mitgliedern auf rund 6800 Personen gestiegen. Das, aber auch die anderen Zahlen belegen Ziswilers Aussage, dass «die Erfolgsgeschichte Raiffeisen weitergeschrieben wird». Steigerung im Hypothekargeschäft um 5 Prozent auf 561 Millionen Franken; Zunahme der Kundengelder um 33 Millionen auf 479 Millionen Franken. Der Jahresgewinn betrug 511 000 Franken.
Keine Geldmaschine
«Wir sind eine Genossenschaftsbank, eigentlich eine Selbsthilfeorganisation, nicht eine Geldmaschine», sagt Ziswiler und grenzt seine Bank von den Grossbanken ab: «Wir haben keine kapitalistische Struktur.» Er erwähnt den demokratischen, föderalistischen Aufbau. Das müsse wieder vermehrt ins Zentrum gelangen. Nicht Gewinnmaximierung müsse die Devise sein; vielmehr soll Raiffeisen eine Bank für die schweizweit 1,9 Millionen Genossenschafter sein.
Die Anteilscheine werden zu zwei Prozent verzinst. Die 870 Genossenschafter bestätigen den Verwaltungsrat für weitere vier Jahre: Hans Ulrich Ziswiler als Präsident, Beatrice Neeser-Fasler als Vize, Jakob Fäs, Manuela Hochuli, Ruedi Gmür, Daniel Frey und Jürg Hochuli. Ein Film zeigt Raiffeisens gebührenfreie Spendenplattform («Crowdfunding») «lokalhelden.ch» für gemeinnützige oder kulturelle Projekte. Hans Ulrich Ziswiler ermuntert: «Es würde mich sehr freuen, wenn wir dank Ihrem Engagement in unseren Tälern ein entsprechendes Projekt realisieren können.»
Beatrice Neeser-Fasler und Manuela Hochuli verlosen zehn Geschenkkörbe, und Hans Ulrich Ziswiler leitet mit einem launigen Gedicht über die Hitze und die kleinen Zinserträge zum Naturalertrag über, der «bleibt und tut uns gut, stärkt und macht uns froh, gibt allen Mut.» Naturalertrag? Das ist das Essen, dessentwegen die Dreifachturnhalle voll ist und welches die Bank sich rund 100 000 Franken kosten lässt.
Was aber, wenn das Doppelte der üblichen 12 bis 14 Prozent der Genossenschafter an die Versammlung käme? Delegiertenversammlung wie in Lenzburg? Schriftliche Urabstimmung? Das wäre nicht im Sinne Ziswilers, der seine Dissertation über die direkte Demokratie geschrieben hat.
Der Aargauer Zwetschgenbraten mundet ebenso wie die Kirschtorte. Serviert wurden beide von den Reitnauer Damenturnerinnen, die gemeinsam mit den Schmiedrueder Musikanten aufgetischt haben, was der Gasthof Schützen in Aarau angerichtet hat.
Nachhaltigkeit? Der Blumenschmuck kann mit nach Hause genommen werden, und beim Ausgang verteilt die Belegschaft Rosen, die während der Versammlung das Podium umrahmt haben.