Generationenwechsel im Alterszentrum: Vater Kohler übergibt Küche an Sohn

«Könnten Sie einmal Räbebappe zum Zmittag kochen?» Beat Kohler, Küchenleiter des regionalen Alterszentrums Schöftland, kam ins Grübeln, als ein Bewohner mit diesem Wunsch auf ihn zukam. Auch er, heute 64, kennt noch manch altes Rezept. «Aber Räbebappe? Da musste ich zuerst genauer nachfragen.»

Vor neun Jahren kam Kohler zur Alterszentrum-Chefkelle. Zuvor war er, der ursprünglich aus Le Landeron am Bielersee kommt und sich der Liebe wegen im Aargau niedergelassen hat, zwei Jahre im «Schützen» Aarau, 15 Jahre im «Bären» Suhr und zuletzt im damaligen Restaurant Dreistern an der A1 in Kölliken tätig. Eben noch hatte er für Berufschauffeure deftige Steaks zubereitet, nun musste er umdenken. Auf Speisen, die Mägen und Zahnwerke, die bereits viel hinter sich haben, nicht gefährden. Etwa Räben-Kartoffel-Püree – Räbebappe.

Nun tritt er selber in die dritte Lebensphase ein: Im Januar wird er 65 und damit pensioniert. Gerne lassen ihn die Bewohner nicht ziehen. Sie kennen ihren Küchenchef gut, der auch mal für einen Schwatz zum Tisch kommt. Und schwatzen kann man gut mit ihm.

Keine Knochen im Schenkel

Es ist 10 Uhr morgens, die Zwiebelsauce köchelt schon. Sie wird in zwei Stunden zu den Schweinsbratwürsten serviert. Bereits fertig sind die Menus für Bewohner, die nicht mehr gut kauen können: Kartoffelstock, Fleisch- und Gemüsepüree. Es zischt und dampft um den Küchenleiter, dessen Wangen von der Herdhitze schon dunkelrosa sind, dessen Stirn schon glänzt.

Neben ihm bearbeitet sein Sous-Chef gerade Pouletschenkel, die unters Messer müssen. Der grosse schlanke Mann von 31 Jahren ist Beat Kohlers Sohn Yannick. Pouletknochen abnagen ist zwar für jüngere Generationen oft das grösste Vergnügen, kann im Alter aber zur Herausforderung werden. «Und auch an die Bewohner auf der Demenzabteilung, die oft nicht mehr wissen, dass sie Knochen nicht essen können, müssen wir denken», sagt Beat Kohler. So beint der Junior einen Schenkel nach dem anderen aus und legt das Ergebnis, die Pouletschenkel-Steaks, zum Kühlen bereit.

Nicht mehr lange wird Yannick Kohler, der seit neun Monaten im Alterszentrum kocht, Sous-Chef sein. Wenn der Papa nächsten Monat pensioniert wird, übergibt er dem Junior die Chefschürze. Vollständig aus der Küche verabschieden wird sich Beat Kohler aber vorerst nicht. Anfangs wird er dem Sohn hin und wieder zur Seite stehen. Nicht, dass ihm nach der Pension langweilig würde: «Die Leute wissen, dass sie jederzeit spontan auf ein Glas Wein vorbeikommen können, wie das bei uns in der Romandie Gang und Gäbe ist.» Und das tun die Leute auch, wie Sohn Yannick bestätigt.

Weit gereiste Köche

Die Zusammenarbeit im Alterszentrum war nicht das erste Mal, dass Vater und Sohn ein Küchenteam bildeten. Yannick Kohler absolvierte seine Lehre im Kölliker A1-Restaurant unter Papas Aufsicht, bevor er seine Lehr- und Wanderjahre antrat. Und die brachten ihn weitherum: Er kochte in Schweizer Erstklass-Küchen wie im Hotel Baur au Lac in Zürich und dem «Kulm» in St. Moritz, bevor er in Hotelküchen in London, Kanada und Australien arbeitete.

«Heute machen sie ein riesiges Visum-Theater», sagt Beat Kohler, der seinerzeit ebenfalls im Ausland seinen Erfahrungsschatz erweiterte. Er machte in Hotelküchen von Südafrika, Hongkong und Kanada Station. Und das noch mit wesentlich weniger Visum-Bürokratie, wie er sagt. «Damals war es um einiges einfacher, eine Stelle im Ausland zu kriegen, Ich konnte mich einfach bei einem Hotel bewerben und hopp – war ich angestellt.»

Und welche Speisen freuen die Gaumen der Alterszentrum-Bewohner am meisten? «Sie essen am liebsten das, was sie von früher kennen», sagt Beat Kohler. Braten, Voressen, Gschnätzlets. «Nicht zu viel Rohes, vor allem nicht vor dem Schlafengehen. «Dafür darfs zum Znacht gerne eine Süssspeise sein wie Dampfnudeln, da wird auch gerne zweimal geschöpft», sagt Yannick Kohler mit Augenzwinkern. Vater Beat war als Küchenleiter experimentierfreudig, liess die Bewohner einst auch ihre Lieblingsspeisen aufschreiben. Überfordern wollte er die Senioren mit neuen Kochideen jedoch nicht, «obwohl sie es immer auf ganz nette und diplomatische Art sagen, wenn ihnen etwas nicht schmeckt».

Kochen für Generationen

Die jüngsten Abnehmer der Kohlerschen Kost sind da direkter. Seit einem Jahr bezieht der Schöftler Mittagstisch seine Mahlzeiten bei der Küche des Alterszentrums. Anhand der zwischen vier und zwölf Kinder, die dort an Wochentagen essen, erkennen die Alterszentrum-Köche, was auf dem Kinderteller von heute aus Grossmutters Zeiten noch angesagt ist. Aus dem Speiseplan inzwischen rausgefallen seien etwa Leberli oder Fisch, wie Beat Kohler sagt. Damit am Mittagstisch nicht lauter Leberli-Teller übrig bleiben, werden die Wochenpläne zuvor jeweils mit der Leiterin angeschaut und für die jungen Esser wo nötig anderes Fleisch verwendet.

Schon jetzt lässt Beat Kohler den künftigen Küchenleiter selbstständig arbeiten, die Übergabe dürfte also fliessend über die Bühne gehen – auch dank eines eingespielten Küchenteams, wie Yannick Kohler sagt. An das Erfolgsrezept der gutbürgerlichen Küche wird sich auch der Sohnemann halten. «Vielleicht ab und zu ein Experiment – nur so einmal im Monat.»