
Gerber Kurt Friderich: «Zurzeit ist Fell absolut in Mode»
SERIE
Die traditionellen alten Handwerksberufe verschwinden je länger, je mehr von der Bildfläche. Oftmals lässt sich die Arbeit heute maschinell erledigen. In der Serie «Altes Handwerk» stellt diese Zeitung Persönlichkeiten vor, die einen Beruf ausüben oder ausübten, welcher nicht mehr weit verbreitet ist oder nicht mehr erlernt werden kann.
Es ist ein Handwerk aus anderer Zeit und weitgehend von der Bildfläche verschwunden: das Gerben. Kurt Friderich aus Zofingen ist einer der wenigen, die das Veredeln von Fell und Pelz sowie das Verarbeiten von Tierhäuten noch verstehen. An der Henzmannstrasse in Zofingen betreibt er zusammen mit seiner Frau Doris und dem langjährigen Mitarbeiter Brahim Avdija eine der letzten Gerbereien in der Schweiz. «Ob Rind, Schaf, Fuchs oder Murmeltier – grundsätzlich kann jedes Fell haltbar gemacht werden», sagt Kurt Friderich auf dem Rundgang durch die verschiedenen Räumlichkeiten. Insgesamt sind über 30 Arbeitsschritte zum Lidern – dem Verarbeiten der Felle – erforderlich. Das Konservieren der frisch angelieferten Felle, das Waschen, das Gerben mit mineralischen, synthetischen oder pflanzlichen Stoffen oder das Kämmen der Haare sind nur einige davon.
Längst ist das Handwerk des Gerbers als Beruf nicht mehr erlernbar. «Die Bereitschaft, schmutzige Arbeit auszuführen, fehlt in heutiger Gesellschaft. Es gibt deshalb nicht mehr genügend Fachkräfte», sagt der 59-Jährige, der vor über 20 Jahren den letzten Lehrling ausgebildet hat. In den 90er Jahren sei mit dem Militär ein wichtiger Abnehmer verloren gegangen. «Der Bund deklarierte Leder bis dahin als Kriegsmaterialvorsorge. Er hat deshalb den Beruf als solchen gestützt und gefördert.» Doch diese Zeiten seien vorbei.
Das Hobby zum Beruf gemacht
Das Handwerk des Gerbers wurde Kurt Friderich in die Wiege gelegt. Bereits sein Urgrossvater führte in Zofingen eine Gerberei. Nach der obligatorischen Schule erlernte Kurt Friderich den Beruf bei der Gerberei Hagnauer in Aarburg. In der Folge begab er sich auf Wanderschaft, machte halt in verschiedenen deutschen Gerbereien. Nach der Weiterbildung zum Pelzveredler und der Übernahme der Gerberei Friderich im Jahr 1981 war sein Wissensdurst aber noch längst nicht gestillt. «Mit 40 absolvierte ich die Lehre als Chemikant in der Siegfried AG. Chemikalien spielen auch im Beruf des Gerbers eine wichtige Rolle», so der frühere Kommandant der Stützpunktfeuerwehr Zofingen. Seit 2003 hält er die Leitung der Chemiewehrschule Zofingen inne und hat sich damit gleichzeitig das Hobby, die Feuerwehr, zum Beruf gemacht. Auch wenn die Gerberei dadurch in den Hintergrund gerückt ist, so hat er die Faszination für das Gerben nicht verloren. «Das Handwerk des Gerbers ist neben dem Beruf des Chemikants die für mich abwechslungsreichste Tätigkeit», sagt Friderich, dessen Frau die Fäden in der Gerberei zusammenhält.
Fairness gegenüber dem Tier
Trotz Fachkräftemangel und Berufswechsel ist die Schliessung der Gerberei für Friderichs kein Thema. Im Gegenteil. «Zurzeit haben wir eine Auslastung wie schon lange nicht mehr. Die Kunden nehmen Lieferfristen von bis zu sechs Monaten in Kauf.»
Auf die Frage, ob Slogans wie «Lieber nackt als Pelz» keinen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit haben, meint er: «Auch wir verurteilen Tierzuchten mit nicht artgerechter Haltung. Kurzfristig waren viele Leute verunsichert.» Doch es habe ein Umdenken stattgefunden und «viele Leute haben erkannt, dass die Verarbeitung von Fellen nichts anderes ist als die natürliche Verwertung eines edlen Rohstoffs». Angeliefert werden die Felle und Pelze bei der Gerberei Friderich meist von Metzgereien, Jägern, Zoos oder Landwirten. «Für mich ist es selbstverständlich, dass man die für den Fleischkonsum oder zur Regelung der Population erlegten Tiere komplett verwertet.» Heutzutage würden die meisten Felle in der Kadaverstelle entsorgt oder zu Biogas verarbeitet. «Das finde ich auch gegenüber dem Tier nicht fair», sagt der Zofinger, der mit Anfragen für Felle überhäuft wird. «Zurzeit ist das absolut in Mode. Vermehrt schlafen Leute wieder auf Schaffell», sagt Friderich, der sich wünscht, dass Fell- und Pelzträger in der Gesellschaft besser akzeptiert würden. «Es ist nichts Schlechtes, wenn die Felle aus hiesiger Jagd stammen.»
Neu entdeckt habe man das Fell in den letzten Jahren auch im Gesundheitsbereich. Im Spital und im Altersheim diene es als Matratzenauflage bei bettlägerigen Patienten gegen das Wundliegen. Trotz grösserer Nachfrage im Gesundheitsbereich, blickt Kurt Friderich der Zukunft der Gerberei mit gemischten Gefühlen entgegen. «Für die nächsten fünf bis zehn Jahre sehe ich noch Potenzial, am Markt bestehen zu können.» Danach werde es schwierig. «Fell und Leder wird es zwar immer geben. Es wird aber vermutlich nicht mehr in Europa hergestellt.»